Die Angst vor der Informationsflut – Jeder zweite Bundesbürger fühlt sich förmlich überrollt 

Forschung aktuell, 121

24. April 1995

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Die Angst vor der Informationsflut – Jeder zweite Bundesbürger fühlt sich förmlich überrollt

Neue BAT-Studie bremst die Multimedia-Euphorie

Technologisch ist alles möglich. Doch psychologisch stößt die Medienrevolution an ihre Grenzen. Immer mehr TV-Programme, Videofilme und Computerspiele sowie eine wachsende Vielfalt von Möglichkeiten zu Tele-Shopping und Tele-Kommunikation machen auf die Konsumenten den Eindruck der Lawinenhaftigkeit: „Man fühlt sich förmlich überrollt“ sagt fast die Hälfte der Bevölkerung (48%) in Deutschland. Und selbst mehr als ein Drittel aller Jugendlichen im Alter von 14 bis 29 Jahren (36%) gibt offen zu, daß mittlerweile die Medienflut kaum mehr überschaubar sei. Dies geht aus einer aktuellen Repräsentativbefragung des B·A·T Freizeit-Forschungsinstituts hervor, in der 2.600 Personen ab 14 Jahren nach ihrer Einschätzung zur Entwicklung des Multimedia-Angebots befragt wurden.
Viele Bürger haben zunehmend Schwierigkeiten, sich noch im Dschungel der Informationsvielfalt zurechtzufinden. Angst vor der wachsenden Medienflut bekunden vor allem die Familien mit Jugendlichen im Haushalt (55%) sowie die ältere Generation ab 50 Jahren (53%). „Viele Bürger fühlen sich von der Überfülle des Medienangebots bedroht und wissen nicht, wie sie sich gegen diese Lawine wehren können“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des B·A·T Instituts. Das künftige Zeitalter der Telekommunikation wird von ihnen als Bedrohung empfunden. Auswege, sich aus den Armen dieses „Polypen Multimedia“ zu befreien, sieht man kaum.

Vereinsamung droht. Vor allem Höhergebildete befürchten weniger mitmenschliche Kontakte

Der Boom der künftigen Kommunikationsindustrie kann zum Bumerang für die mitmenschliche Kommunikation werden. Das Zusammenwachsen von Computer, Telefon und Fernseher fördert eher die Einsamkeit vor den Apparaten. Dies befürchtet fast jeder zweite Bundesbürger (48%). Das Problembewußtsein wächst mit dem Bildungsgrad. Der Anteil der Bundesbürger, die in den neuen Multimedia-Möglichkeiten eher eine Geißel der Einsamkeit als einen Fortschritt der Kommunikation sehen, ist bei den Befragten mit gymnasialer Bildung (54%) und Hochschulabschluß (57%) deutlich höher ausgeprägt als bei Hauptschul- und Realschulabsolventen (46 bzw. 47%).
In den Zukunftsvorstellungen der Bevölkerung fehlt der Medienwelt von morgen der echte Bezug zu den menschlichen Bedürfnissen und Wünschen. Professor Opaschowski: „Viele Bundesbürger haben das Gefühl, daß die Industrie gar nicht wissen will, ob die Konsumenten das eigentlich alles haben wollen.“ So sind 35 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren der Überzeugung, daß das Multimedia-Angbot nicht angenommen und abgelehnt wird, weil die Bürger es gar nicht haben wollen.

TV, Telefon und Computer: Mehr Zeitfalle als Zeitgewinn

Tele-Shopping, Bankgeschäfte und Reisebuchungen – alles soll vom Wohnzimmer aus zeitsparend möglich sein. Doch die Konsumenten sind Realisten: Auch Medienkonsum kostet Zeit. Jeder zehnte Bundesbürger erhofft sich von den neuen Technologien einen zusätzlichen Zeitgewinn. Doch mehr als doppelt so viele (22%) sind davon überzeugt: es fehlt einfach die Zeit, davon Gebrauch zu machen. Lediglich die Gruppe der 14- bis 17jährigen Medien-Kids glaubt, daß sich mit den neuen Technologien Zeitgewinn (22%) und Zeitverlust (23%) in etwa die Waage halten.
Die Chancen des künftigen Multimedia-Zeitalters werden von der gesamten Bevölkerung wohl gesehen, aber in ihrer Bedeutung relativ gering eingestuft. Jeder vierte Bundesbürger (24%) hat die Hoffnung, daß dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die neuen Technologien das Leben angenehmer und leichter machen (20%) und das private Leben bereichert wird (17%). Nur elf Prozent der Bevölkerung glauben, daß die private Nutzung der neuen Medien auch berufliche Vorteile hat. Deutlich höher aber ist der Anteil der Bundesbürger, die mit Trauer und ein wenig Wehmut vom Fernseh-Zeitalter Abschied nehmen. 25 Prozent der deutschen Bevölkerung trauern eher den alten ARD- und ZDF-Zeiten nach.
Generell gilt: Die Kriegs- und Nachkriegszeit hat zur Ausprägung von zwei Technikgenerationen geführt. Die vor 1945 Geborenen (50 Jahre und älter) wehren und sperren sich mehrheitlich gegen das neue Multimedia-Angebot. Wer hingegen unter 50 ist, schätzt die Multimedia-Möglichkeiten für die Privatsphäre und das Freizeitverhalten deutlich positiver ein. Unverkennbar ist allerdings auch hier: Die Nachteile und Risiken der Medienentwicklung werden schwerwiegender eingeschätzt als die Vorteile und möglichen Chancen.
Die neue Studie ist als Script mit dem Titel „Medienkonsum – Analysen und Prognosen“ gegen eine Schutzgebühr von DM 24,– beim B·A·T Freizeit-Forschungsinstitut, Alsterufer 4, 20354 Hamburg, ab sofort zu beziehen. Der Band enthält die wichtigsten Übersichtstabellen und eine ausführliche Interpretation der aktuellen Umfrage-Daten von Februar/ März 1995 in Text und Grafik. Journalisten und Redaktionen stellen wir auf Wunsch ein Besprechungsexemplar kostenlos zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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