Freizeitwirtschaft: Millionenmarkt und Deutschlands größter Arbeitgeber 

Forschung aktuell, 192

25. August 2006

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Freizeitwirtschaft: Millionenmarkt und Deutschlands größter Arbeitgeber

BAT-Studie über die Freizeitwirtschaft als
„Leitökonomie der Zukunft“

Ob WM oder Formel 1, Festspiel oder Freizeitpark, Fernsehen zu Hause oder Urlaubsreise in die Ferne: Tourismus, Medien, Kultur, Sport und Entertainment sind ein Millionenmarkt geworden und ziehen Millionen Menschen in ihren Bann. Seit über vier Jahrzehnten zählt die Freizeitwirtschaft zu den stabilsten Wachstumsbranchen. Zu den Freizeitbeschäftigungen, bei denen die Deutschen in den letzten zwölf Monaten am meisten Geld ausgegeben haben, gehören das Aus- und Essengehen in Restaurants (87%), der Medienkonsum durch Zeitschriften (77%), CDs/DVDs (73%) und Handy (71%) sowie die Freizeitmobilität bei Tagesausflügen (71%) und Urlaubsreisen (59%). Dies geht aus einer aktuellen Repräsentativbefragung des BAT Freizeit-Forschungsinstituts hervor, in der 2.000 Personen ab 14 Jahren nach ihren Konsumgewohnheiten gefragt wurden.
„Der Freizeitwirtschaft kommt die Rolle einer Leitökonomie zu. Ihre Wachstumsraten liegen weit über der Gesamtwirtschaft. Die Freizeitwirtschaft wird daher auch die Lokomotive sein, die die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts antreibt“, erklärt Professor Dr. Horst W. Opaschowski, der Wissenschaftliche Leiter des Instituts. Dabei bezieht er sich auf die Ergebnisse der Studie, die aktuell unter dem Titel „Freizeitwirtschaft. Die Leitökonomie der Zukunft“ im Buchhandel (Lit Verlag Münster) erscheint. Gemeinsam mit den Autoren und Mitarbeitern des Instituts, Dr. Ulrich Reinhardt und Dr. Michael Pries, weist Opaschowski nach: Die Freizeitwirtschaft ist Deutschlands größter Arbeitgeber. Weit über sechs Millionen Menschen sind in den einzelnen Freizeitsektoren beschäftigt.
Das Erfolgsgeheimnis des Wachstumsmarkts Freizeitwirtschaft führt das Autorenteam des BAT Instituts auf den wachsenden Wunsch der Menschen nach Lebensqualität und einem besseren Leben zurück. Ein auf Mobilität und Aktivität, Geselligkeit und Lebensfreude ausgerichtetes Freizeitverständnis lässt den Konsum als Teil einer Erlebnisökonomie erscheinen, die auf Steigerung angelegt ist. Der erlebnisorientierte Freizeitkonsum wird als kostspieliger Kontrast zum Alltag in den eigenen vier Wänden empfunden.

Zeit und Geld:
Die Erfolgsfaktoren des Freizeitkonsums

Zum Freizeitkonsum gehört immer beides: Zeit und Geld. Wer weniger Geld hat, investiert mehr Zeit. Und wer kaum Zeit hat, gibt dafür mehr Geld aus. Je nach Einkommens-, Sozial- oder Altersgruppe lässt der Freizeitmarkt beliebige Individualisierungen zu. Das Autorenteam Opaschowski/Pries/Reinhardt weist durch Repräsentativbefragungen nach:

  • Junge Leute im Alter von 18 bis 24 Jahren sind in den Fitnessclubs und bei Popkonzerten am häufigsten vertreten.
  • Singles geben am meisten Geld für Sportkleidung und Computerzubehör aus.
  • Kinderlose Paare sind bei den Wochenendreisen und Kurzurlauben überrepräsentiert.
  • Familien mit Kindern unternehmen überdurchschnittlich viele Tagesausflüge und zählen zu den häufigsten Freizeitparkbesuchern.
  • Die Jungsenioren im Alter von 50 bis 64 Jahren machen als kaufkräftige „Best Ager“ die meisten Urlaubsreisen.
  • Und Ruheständler sind unter den Opern-, Konzert- und Theaterbesuchern am meisten vertreten.

Jeder sechste Beschäftigte in Deutschland arbeitet für die Freizeit. Mit steigender Tendenz. Insbesondere für Existenzgründer wird die Freizeitwirtschaft immer attraktiver. Die Branche bietet Zukunftschancen für neue Selbstständigkeiten – von der Eventagentur bis zum Reisebüro, von der Kunstgalerie über das Fitnesscenter bis hin zu Dienstleistungen und Veranstaltungen im Unterhaltungssektor. Vom „Unternehmen Freizeit“ profitieren immer mehr. Aus einem Wirtschaftsfaktor wird ein Wachstumsmarkt.
Besonders expansiv sind die Bereiche Tourismus, Medien und Unterhaltungsindustrie einschließlich der Märkte für Videospiele, Internet und Musik. Allein im Tourismus sind im nächsten Jahrzehnt zweistellige Zuwachsraten zu erwarten. Im Luftverkehr wird z.B. die Passagierzahl um etwa 70 Prozent auf über 250 Millionen Fluggäste bis zum Jahr 2015 zunehmen. Dadurch werden bis zu 80.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, wie der Dachverband der deutschen Reisebüros (DRV) prognostiziert.
Auch in der Unterhaltungsindustrie breitet sich im Bereich Veranstaltungs- und Eventmanagement ein Heer von Kreativen, Technikern und Kundenbetreuern aus. Ob Kirmes, Kunst oder Kino, Looping oder Lohengrin – die Freizeitwirtschaft lebt von der Vielfalt des Angebotsspektrums.
Entsprechend hoch sind dann auch die Ausgaben bzw. Eintrittspreise für Opern- und Konzertbesuche, Sport- oder Open-Air-Veranstaltungen in den Bereichen Sport und Kultur. Selbst ein auf den ersten Blick relativ kleiner Freizeitsektor wie der Kulturbereich erwirtschaftet mit 35 Milliarden Euro Wertschöpfung 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und liegt damit noch vor der Energiewirtschaft (30 Milliarden).
Im vergangenen Jahr wurden für mehr als 1,3 Mrd. Euro Computer- und Videospiele gekauft. Für 2006 erwartet die Branche zweistellige Zuwachsraten. Sobald Neuheiten auf dem Unterhaltungsmarkt erscheinen, setzt die Nachfrage ungebremst ein. Und selbst ein freizeitsportliches Einzelereignis wie die WM wird zur Antriebskraft für das Wirtschaftswachstum in Deutschland, kurbelt den Arbeitsmarkt an, füllt die Kassen von Freizeitunternehmen (Sportartikel, Werbung, Gastronomie u.a.) und beschert Mobilitätsdienstleistern (Bahn-, Bus-, Flugtouristik) einen Boom. In Zukunft wird die Freizeitwirtschaft „die“ Leitökonomie sein.

Zukunftsproblem:
Freizeitmarkt als Zwei-Klassen-Markt

Jeder fünfte Bundesbürger hat im vergangenen Jahr ein Musical (20%) oder ein Rock-, Pop- und Open-Air-Konzert (20%) besucht hat. Freizeitangebote sind geld- und konsumintensiv. Fast alles, was heute nach Feierabend, am Wochenende oder im Urlaub angeboten wird und besonders viel Spaß macht, ist mit Geldausgeben verbunden. So haben insbesondere Jugendliche das Gefühl, dass es mehr Freizeitangebote gibt, als sie sich leisten können. Sie müssen daher Prioritäten setzen: Am meisten Geld geben 14- bis 17-jährige Jugendliche heute für Handy (87%), Kino (86%) sowie für CDs und DVDs (80%) aus.
Beim Freizeitkonsum sind die Teilnahme- und Teilhabechancen ungleich verteilt. Dabei fällt auf: Bei den meisten Freizeitangeboten dominieren unter den Besuchern, Teilnehmern und Nutzern die Männer. Lediglich bei Wellnessangeboten (Frauen: 49% – Männer: 36%) Volkshochschul- (Frauen: 22% – Männer: 20%) und Musicalbesuchen (Frauen: 20% – Männer: 19%) sind die Frauen etwas stärker vertreten. Nicht nur geschlechtsspezifisch, auch ökonomisch gesehen ist der Freizeitmarkt ein Zwei-Klassen-Markt, weshalb Bezieher niedriger Einkommen bei kostenintensiven Angeboten (z.B. Musicalbesuchen) kaum vertreten sind.
Nur etwa jeder dritte Haushalt mit einem Nettoeinkommen unter 1.750 Euro hat innerhalb eines Jahres Geld für Theater, Oper oder Konzert ausgeben können. Bei den Haushalten mit einem Nettoeinkommen über 2.000 Euro war es hingegen jeder zweite Haushalt. Ähnliche Ungleichheiten finden sich beim Kinobesuch, bei Weiterbildungskursen, beim Kurzurlaub oder bei Sport- und Wellnessangeboten.
Zum Freizeiterleben braucht man Geld und Zeit. Insofern zeichnet sich als Perspektive für die Zukunft ab: Zur Geldknappheit gesellt sich die Zeitnot der Konsumenten. Sie kann zu einem grundlegenden Wettbewerbswandel führen: Zeitkriege („time wars“), in denen auch um die Zeit (und nicht nur um das Geld) der Verbraucher gekämpft wird, werden Wirtschaft und Handel im 21. Jahrhundert prägen.

Das Buch

OPASCHOWSKI/PRIES/REINHARDT:
Freizeitwirtschaft.
Die Leitökonomie der Zukunft
328 Seiten/101 Grafiken ist ab sofort im Buchhandel erhältlich:
ISBN 3-8258-9297 LIT Verlag Münster 2006 29,90 Euro

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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