Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen 

Freizeit aktuell, 82

8. August 1989

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Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen

Freizeitwert motiviert zu beruflicher Mobilität

Bei der Entscheidung, den Arbeitsplatz zu wechseln, hat der Freizeitwert des künftigen Wohnorts das größte Gewicht. Nicht die Chance zu beruflichem Aufstieg (46 %) oder die Aussicht auf ein höheres Einkommen (67 %) motivieren die Arbeitnehmer am stärksten. Nach einer Repräsentativumfrage des BAT Freizeit-Forschungsinstituts stehen heute der Freizeitwert und die touristische Attraktivität eines Standortes (72 %) an erster Stelle der Mobilitätsskala. Dies ergaben die Antworten von 958 Berufstätigen, die im Rahmen einer Repräsentativerhebung von 2.000 Personen ab 14 Jahren danach gefragt wurden, welche Faktoren bei ihrer Entscheidung, aus beruflichen Gründen den Wohnort zu wechseln, ein besonderes Gewicht haben.

Lohnwert – Wohnwert – Freizeitwert: Entscheidungsfaktoren für einen Arbeitsplatzwechsel

Eine Stadt oder Region muß heute viele Attraktionen bieten, um Arbeitnehmer halten oder neu gewinnen zu können. Neben dem Lohn- und Wohnwert eines Standorts ist der „Freizeitwert“ zum größten Anreiz geworden. Zum Freizeitwert gehören Ausflugs- und Naherholungsgebiete, Stadtparks und Grünanlagen, Fahrrad- und Wanderwege, Freizeitbäder und Fußgängerzonen, Einkaufszentren und Ladenpassagen, Restaurants, Cafes und Kneipen.

Im persönlichen Entscheidungsprozeß der meisten Arbeitnehmer spielen hingegen traditionelle Standortfaktoren wie Kultur und Bildung eine überraschend geringere Rolle. Nur knapp ein Drittel (31 %) der Arbeitnehmer legt Wert darauf, am neuen Wohn- und Arbeitsort alle Schulformen sowie Volkshochschule und Universität vorzufinden. Noch geringer wird die Bedeutung eines vielseitigen Kulturangebots eingestuft. Lediglich für jeden vierten Arbeitnehmer (24 %) haben Oper, Theater und Konzert ein besonderes Gewicht bei der Entscheidung für einen berufsbedingten Wohnortwechsel.

Deutliche Unterschiede sind zwischen den einzelnen Berufsgruppen feststellbar. Arbeiter lassen sich am ehesten durch mehr Geld (72 %) und am wenigsten durch ein vielseitiges Kulturangebot (9 %) zum Wechsel bewegen.

Leitende Angestellte und höhere Beamte achten hingegen besonders darauf, daß alle Bildungseinrichtungen am neuen Wohnort vorhanden sind (43 %). In einem sind sich jedoch alle Berufsgruppen einig: Wenn der Freizeitwert einer Region nicht stimmt, ist auch die Neigung gering, aus beruflichen Gründen einen Wohnortwechsel vorzunehmen.

Wo man gern leben will, will man auch gern arbeiten

Eine Stadt oder Region, die heute noch die Verbesserung des Freizeitwerts als nachrangig ansieht, investiert mit Sicherheit am Bedarf vorbei. Der Freizeitwert steigert die Zukunftschancen von Unternehmen, fördert das Standortimage und stützt letztlich auch die Fremdenverkehrswirtschaft.

Die Freizeit als Wachstums faktor für die Wirtschaft und als Standortfaktor für Unternehmer und Arbeitnehmer bekommt wachsende Bedeutung. Nach Ansicht von Professor Opaschowski, dem wissenschaftlichen Leiter des BAT Instituts, müssen Unternehmer und Kommunalpolitiker umdenken: „Der Freizeitwert einer Region wird bisher noch unter Wert gehandelt und muß stärker ins Bewußtsein der Öffentlichkeit getragen werden“.

Unternehmer, die den Freizeitwert einer Stadt fördern, haben Standortvorteile. Und Kommunalpolitiker, die Freizeitförderung als Wirtschaftsförderung verstehen, vergrößern die Anziehungskraft eines Standorts für neue Unternehmen. Wer die Freizeitattraktivität einer Stadt oder Region steigert, betreibt erfolgreiche Neuansiedlungspolitik und hilft, neue Betriebe zu gewinnen und neue Beschäftigte anzuziehen.

Die Freizeit- und Tourismusbranche gilt als der größte Wachstumsbereich innerhalb der zukünftigen Dienstleistungsgesellschaft. Für die BAT Freizeitforscher werden die künftigen Dienstleistungsstandorte, die hochqualifizierte Arbeitskräfte anziehen, Freizeitlandschaften gleichen: Während ein Teil der Bevölkerung die vorhandenen Freizeitangebote intensiv genießt und andere mit Freude ihrer Arbeit nachgehen, reisen Kongreß-Touristen an, um am gleichen Standort ihre Tagungen, Seminare und Konferenzen abzuhalten.

Weitsichtige Unternehmen sollten in Zukunft Wert darauf legen, daß mit der wachsenden Freizeitorientierung ihrer Mitarbeiter auch das Freizeitimage ihres Standorts an Bedeutung gewinnt. Den Arbeitnehmer lockt immer mehr die Sonnenseite des Lebens. Sie wollen im Idealfall dort arbeiten und wohnen, wo andere Urlaub machen.

Wortlaut der Fragestellung

„Die persönliche Entscheidung, wegen eines beruflichen Stellenangebots einen Ortswechsel vorzunehmen, wird heute durch eine Reihe von Faktoren beeinflußt. Wenn Sie selbst vor der Entscheidung stehen würden, aus beruflichen Gründen Ihren Wohnort wechseln zu müssen, welche Faktoren hätten dann für Ihre Entscheidung ein besonderes Gewicht?“ (Geschlossene Frage, Antwortmöglichkeiten vorgegeben, Mehrfachnennungen möglich)

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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