Result
Vertrauen bildet eine essenzielle Grundlage für das gesellschaftliche Zusammenleben. Aktuell vertraut eine knappe Mehrheit der Bevölkerung den meisten Mitbürgern. Bei den unter 35-Jährigen liegt der Anteil mit 60 Prozent über dem Wert der älteren Generationen, von denen nur etwa jeder Zweite Vertrauen in seine Mitmenschen äußert.
Ein Blick auf die Entwicklung über die Jahre zeigt eine wechselhafte Dynamik. Im Jahr 2000 lag der Anteil bei lediglich 36 Prozent und stieg bis 2019 kontinuierlich auf einen Höchststand von 60 Prozent an. Anschließend folgte ein Rückgang im Jahr 2022 auf 45 Prozent, bevor sich der Wert auf aktuell 54 Prozent erholte.
Reasons
Für das Individuum bildet Vertrauen die Grundlage seiner Beziehungs- und Handlungsfähigkeit. Zunächst betrifft dies vor allem seine familiären Bindungen, später auch die Interaktionen mit seinem sozialen Umfeld, seiner Arbeitswelt und seinen Mitbürgern. Das stärkste Vertrauen wird allgemein Personen entgegengebracht, die ähnliche Erfahrungen teilen, Identität und Halt vermitteln oder sich in einer vergleichbaren sozialen Lebenswelt befinden.
Das steigende Vertrauen zwischen 2000 und 2019 ist vor allem im Kontext gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen zu betrachten. Hierzu zählen beispielsweise eine relativ stabile wirtschaftliche Lage mit niedriger Arbeitslosigkeit über den gesamten Zeitraum sowie die nachhaltige Zuversicht, die sich auch nach der Finanzkrise 2008/2009 einstellte. Die Erfahrung, diese Krisenzeiten unbeschadet zu überstehen, hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf das soziale Vertrauen der Menschen zueinander. Sie förderte das Gefühl von Sicherheit und Stabilität und stärkte damit das Vertrauen in die Gesellschaft allgemein sowie in den Mitmenschen.
Darüber hinaus konnten weitere gesellschaftliche Herausforderungen bewältigt werden, etwa die Förderung von Gleichberechtigung und Diversität, die Verbesserung der Kriminalitätsbekämpfung sowie Maßnahmen gegen den Klimawandel. All diese Aspekte trugen zu einem wachsenden Gemeinschaftsgefühl bei, das sich unter anderem in einem verstärkten freiwilligen Engagement der Bevölkerung zeigte – sei es in Form von Nachbarschaftshilfe, der Mitarbeit in Sportvereinen oder in Hilfsorganisationen.
Die intensive Wechselwirkung zwischen der Wahrnehmung gesellschaftlicher Stabilität und persönlicher Vertrauensbereitschaft zeigte sich deutlich im Jahr 2022, als das Vertrauen der Bundesbürger nicht nur in Institutionen und politische Akteure, sondern auch gegenüber Mitbürgern um insgesamt 15 Prozent zurückging. Dieser Rückgang lässt sich unter anderem durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie erklären, ebenso wie durch den Frust über teils nicht transparente politische Maßnahmen und Widersprüche. Hinzu kamen der Ukrainekrieg mit seinen wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten, die Energiekrise, steigende Inflation und höhere Lebenshaltungskosten, zunehmende Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen (z. B. Energiepolitik, Waffenlieferungen), wachsende soziale Ungleichheit (z. B. Energiepreisdeckel oder Gasumlage), gesellschaftliche Spaltungen, die Erstarkung populistischer Kräfte sowie die Verbreitung von Fake News und Desinformation.
Im Vergleich dazu ist seit 2024 das Vertrauen der Bundesbürger zueinander wieder um fast zehn Prozentpunkte auf 54 Prozent gestiegen. Dies lässt sich unter anderem durch ein stärkeres Zusammenrücken der Bürger in gefühlt unsicheren Zeiten erklären. Beobachtbar ist dies beispielsweise an der zunehmenden Nachbarschaftshilfe, Gemeinschaftsaktionen, Hilfsangeboten für Ukraine-Flüchtlinge oder der Nutzung von Tauschbörsen. Besonders die Erfahrungen der Corona-Pandemie mit Isolation, fehlenden sozialen Kontakten und gesellschaftlicher Polarisierung haben viele Bürger dazu bewogen, sich wieder intensiver persönlich zu vernetzen, aktiv gegen soziale Spaltung vorzugehen und soziale Interaktionen bewusster zu suchen. In ähnlicher Weise hat der Krieg in der Ukraine die Bereitschaft der Bürger gestärkt, sich auf gemeinsame Werte zu besinnen, die gesellschaftliche Stabilität zu schätzen und sich verstärkt zu engagieren. Dadurch haben zwischenmenschliche Beziehungen insgesamt eine neue Wertschätzung erfahren, was letztlich auch zu einem Anstieg des gegenseitigen Vertrauens geführt hat.
Die Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Bürgern offenbaren verschiedene Lebensrealitäten. Jüngere zeigen ein höheres Vertrauen in ihre Mitmenschen, was durch stärkere Vernetzung und Offenheit gegenüber sozialen Kontakten gefördert wird. Digitale Plattformen ermöglichen dieser Altersgruppe, vielfältige Beziehungen aufzubauen und positive Erfahrungen zu sammeln. Auch die Lebensphase spielt eine entscheidende Rolle: Jüngere befinden sich in einem Umfeld, das stärker auf Kooperation und Austausch ausgerichtet ist, etwa in Schule, Studium oder beim Berufseinstieg. Zudem neigen sie zu einer optimistischeren und idealisierten Haltung, sind offener für Neues, häufig in sozialen Gemeinschaften integriert und im ständigen Austausch mit anderen. Diese Faktoren führen zu einer erhöhten Vertrauensbereitschaft. Da jüngere Bürger weniger stark in wirtschaftlicher Verantwortung stehen und seltener mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert werden, ist ihr Misstrauen gegenüber anderen geringer.
Die mittlere und ältere Generation hingegen sieht sich häufiger beruflichen, finanziellen oder persönlichen Herausforderungen ausgesetzt und macht entsprechend mehr zwischenmenschliche Enttäuschungen. Diese Erfahrungen fördern Zurückhaltung und größere Vorsicht im Umgang mit anderen. Negative gesellschaftliche Entwicklungen wie Polarisierung und Unsicherheiten verstärken diese Haltung zusätzlich.
Auch die Gründe der Bürger, die aktuell kein Vertrauen in ihre Mitmenschen haben, sind von Bedeutung. Die Ursachen hierfür liegen häufig in persönlichen Enttäuschungen oder negativen Erfahrungen, wie mangelnder Hilfsbereitschaft oder Konflikten im Alltag. Gesellschaftliche Faktoren wie soziale Spaltung, wirtschaftliche Unsicherheiten oder der Einfluss von Desinformation verstärken dieses Misstrauen zusätzlich. Ein solches Klima erschwert es vielen Bürgern, auf andere zuzugehen, und fördert Isolation sowie Vorbehalte. Auch die Wahrnehmung von Ungleichheit spielt eine Rolle: Bürger, die sich benachteiligt fühlen oder den Eindruck haben, unfair behandelt zu werden, entwickeln häufiger Misstrauen gegenüber anderen. Der Rückgang gemeinschaftlicher Aktivitäten wie Vereinsarbeit oder Nachbarschaftsprojekte sowie die zunehmende Anonymität in urbanen Räumen tragen ebenfalls dazu bei, da persönliche Kontakte seltener werden und das Gefühl von Gemeinschaft schwindet.
Forecast
Ein hohes Maß an Vertrauen in die Mitmenschen stellt eine zentrale Ressource für das Zusammenleben dar. Vertrauen erleichtert Kooperationen, reduziert Konflikte und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Gesellschaften mit einem hohen Vertrauensniveau zeichnen sich durch eine größere Stabilität und Resilienz aus, da die Bürger bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv in Gemeinschaftsprojekte einzubringen. Auch die Bereitschaft, auf andere zuzugehen und gemeinsame Lösungen für Probleme zu entwickeln, steigt mit wachsendem Vertrauen.
Besonders jüngere Generationen bieten durch ihr höheres Vertrauensniveau Potenziale für den Aufbau einer vertrauensvollen Gesellschaft. Ihre stärkere Vernetzung und Offenheit gegenüber neuen Kontakten können dazu beitragen, Brücken zwischen verschiedenen sozialen Gruppen zu schlagen. Digitale Plattformen ermöglichen es ihnen, Beziehungen über geografische und kulturelle Grenzen hinweg aufzubauen. Diese Vernetzung sollte gezielt genutzt werden, um Dialoge zu fördern und Vorurteile abzubauen. Jüngere befinden sich zudem häufig in Lebensphasen, die von Kooperation geprägt sind, etwa in Ausbildung, Berufseinstieg oder Familiengründung. Diese Umfelder bieten ideale Voraussetzungen, um Vertrauen als Grundlage für langfristige soziale Bindungen zu etablieren.
Ein Rückgang des Vertrauens birgt hingegen erhebliche Risiken für das gesellschaftliche Gefüge. Misstrauen erschwert den Aufbau sozialer Beziehungen und fördert Isolation sowie Polarisierung. In einer Gesellschaft mit geringem Vertrauen sinkt die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, was sowohl das soziale als auch das wirtschaftliche Leben negativ beeinflusst. Zudem würde ein Klima des Misstrauens soziale Spaltungen verstärken und die Engagementbereitschaft der Bürger verringern.
Die Förderung von Vertrauen erfordert gezielte Maßnahmen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. Begegnungen zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen schaffen Möglichkeiten, Vorurteile abzubauen und gegenseitiges Verständnis zu fördern. Gemeinschaftsprojekte oder Nachbarschaftsinitiativen bieten Räume für positive Interaktionen und stärken das Gefühl von Zugehörigkeit. Bildungseinrichtungen können durch Programme zur Förderung sozialer Kompetenzen und interkultureller Sensibilität frühzeitig Grundlagen für vertrauensvolle Beziehungen legen. Auch die Politik könnte durch mehr Transparenz in Entscheidungsprozessen und eine verbesserte Kommunikation das Vertrauen in Institutionen stärken, was sich wiederum positiv auf das zwischenmenschliche Vertrauen auswirken würde.
Es gilt daher, Strukturen zu schaffen, die Begegnungen ermöglichen und soziale Sicherheit gewährleisten. Eine Zukunftsgesellschaft mit einem hohen Maß an Vertrauen ist nicht nur stabiler, sondern auch besser gerüstet, zukünftige Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Die Förderung von Vertrauen sollte als ein kontinuierlicher Prozess verstanden werden, der sowohl individuelle Bemühungen als auch institutionelle Unterstützung erfordert.