War früher alles besser? Nur jeder dritte Bundesbürger sieht steigende Lebensqualität 

Forschung aktuell, 284

10. Mai 2019

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(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

In wenigen Wochen wählen die Europäer ein neues EU-Parlament. Viele Bundesbürger blicken hierbei mit Skepsis auf die zu wählenden Volksvertreter, sorgen sich um ihre Sicherheit, fürchten sich vor einem zukünftigen Wohlstandsverlust und glorifizieren die Vergangenheit. So ist mehr als jeder vierte Deutsche (29%) der Meinung, dass die Lebensqualität insgesamt abgenommen hat. 37 Prozent nehmen keine wesentlichen Veränderungen wahr und empfinden die Vor- und Nachteile der gegenwärtigen Wohlstandsgesellschaft als ausgeglichen. Eine positive Entwicklung im Vergleich zur Vergangenheit kann dagegen ein gutes Drittel (34%) der Bevölkerung erkennen. Zu diesem Ergebnis kommt die unabhängige BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, die im Rahmen ihrer aktuellen Untersuchung repräsentativ über 2.000 Bundesbürger ab 14 Jahren in persönlichen Interviews zu ihrem derzeitigen Lebensgefühl befragt hat.

So negativ die Bevölkerung die zukünftige Entwicklung auch einschätzt, der Jahresvergleich gibt durchaus Anlass zur Hoffnung. So blickte die Bevölkerung zu Zeiten der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 noch deutlich kritischer in die Zukunft. Lediglich etwa jeder Vierte (24%) erwartete eine positive Entwicklung. Dagegen prognostizierten 35 Prozent eine abnehmende Lebensqualität. Besonders positiv hat sich die Zukunftshoffnung bei der jungen Generation entwickelt: Gingen 2009 lediglich 22 Prozent von einer Verbesserung aus, sind es aktuell 37 Prozent. Auffällig ist zudem die Entwicklung in Ostdeutschland: Konnte sich vor einem Jahrzehnt lediglich jeder Siebte (14%) eine Verbesserung vorstellen, ist es aktuell immerhin etwa jeder Vierte. Die stärksten Zuwächse lassen sich bei der Landbevölkerung nachweisen – hier verdoppelte sich die Zuversicht von 17 auf 36 Prozent.

Vieles spricht für eine weiterhin positive Entwicklung

Ganz gleich, welche Periode in der Geschichte als Referenz gewählt wird, zu keiner Zeit war die Lebenserwartung höher und die Kindersterblichkeit geringer. Die medizinische Versorgung war niemals besser, die Bildung nie umfassender und die Kommunikation nie unmittelbarer oder einfacher als heute. Auch die Emanzipation der Frau ist weiter denn je, ebenso wie die Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Paaren. Meinungsfreiheit ist zum allgemeinen Standard geworden und unser Lebensstandard sowie das frei verfügbare Einkommen haben sich deutlich erhöht. Gleichzeitig hat sich die Arbeitszeit verringert und die Anzahl an Urlaubstagen ist gestiegen. Nicht zu vergessen, dass jeder unter 65-Jährige Frieden, Freiheit und Wohlstand als Dauerzustand kennengelernt hat.

Auch global gesehen war das Leben früher nicht besser: Noch zu Beginn der 50er Jahre waren alle westlichen Industrienationen – nach heutigen Bewertungen – Entwicklungsländer. Die weltweite Armut ist in den vergangenen Jahrzehnten stärker zurückgegangen als in den fünf Jahrhunderten davor, es gibt immer weniger
Analphabeten und auch die Zahl der Kriegsopfer ist deutlich niedriger – trotz des Bürgerkriegs in Syrien.

Auch die finanziellen Möglichkeiten haben sich verbessert. Zwar kostete beispielsweise ein VW Käfer in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts nur rund 4.400 DM. Jedoch lag der Bruttolohn eines Facharbeiters auch bei lediglich etwa 75 Mark pro Woche – und dies bei einer 6-Tage-Woche mit 48 Arbeitsstunden. Der Facharbeiter musste demnach 13 Monate sein Bruttogehalt sparen, um sich einen neuen VW kaufen zu können. Aktuell verdient ein Facharbeiter etwa 3.000 Euro im Monat und ein neuer VW Golf 7 kostet rund 16.500 Euro und damit halb soviel wie früher.

Ausblick des Wissenschaftlichen Leiters Professor Dr. Ulrich Reinhardt: „Das Leben in Zukunft wird besser sein als in der Vergangenheit. Wir werden uns weiterentwickeln, noch mehr Möglichkeiten haben und Lösungen für Probleme und Herausforderungen finden. Wichtig ist es jedoch, die Errungenschaften, Chancen und Gegebenheiten stärker zu betonen und positive Signale zu setzen. Gefordert sind hier Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien, ebenso wie auch jeder einzelne Bürger in seinem ganz persönlichen Umfeld.“

10 Bereiche, die sich verbessert haben

Extreme Armut weltweit 1991: 46% 2016: 9%
Kindersterblichkeit weltweit 1991: 87 von 1.000 2016: 34 von 1.000
Anteil unterernährter
Bürger weltweit
1991: 19% 2016: 11%
Kriegerische Konflikte weltweit 1991: 50 2018: 26
Analphabetismus weltweit 1991: 31% 2017: 10%
Anzahl Beschäftigter
in Deutschland
1991: 38,7 Mio. 2018: 44,6 Mio.
Frei verfügbares Einkommen 1991: 11.137 € 2016: 21.881 €
Arbeitslosenquote
in Deutschland
1991: 5,2% 2018: 3,2%
Abiturientenquote
in Deutschland
1991: 31% 2017: 51%
Wohneigentumsquote 1991: 38% 2018: 52%

Quellen: OECD, Eurostat und Statistisches Bundesamt

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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