Das BAT Freizeit-Forschungsinstitut 

Der Freizeitbrief, 1

1. Februar 1980

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(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

Das BAT Freizeit-Forschungsinstitut

Welches ist die Zielsetzung des Instituts

Für den einzelnen und für die Gesellschaft ist das Wissen über Probleme und die Auseinandersetzung mit der Freizeit von ständig wachsender Bedeutung. Doch während es zur quantitativen Bestimmung von Freizeitaktivitäten (wer tut was wie lange) bereits wahre Datenfriedhöfe gibt, sind die Gründe für ein bestimmtes Freizeitverhalten noch wenig erforscht. Diese Forschungslücke zu schließen, ist eine der Hauptzielsetzungen des im Mai 1979 gegründeten BAT Freizeit-Forschungsinstituts.
Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Opaschowski will das Institut mit qualitativen Untersuchungen einen Beitrag zur Analyse persönlicher und gesellschaftlicher Freizeitprobleme leisten. Im Mittelpunkt stehen die wissenschaftliche Grundlagenforschung und die Information über daraus gewonnene Erkenntnisse, die der Allgemeinheit und den speziell am Thema Freizeit interessierten Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen zur Verfügung gestellt werden soll. Jeder kann daraus Nutzen für seine eigene Arbeit ziehen. Das BAT Freizeit-Forschungsinstitut wird jedoch nicht Patentrezepte für eine bessere Freizeit bieten. Es will aber dazu beitragen, innerhalb des Problemkreises Freizeit bessere Lösungsansätze zu vermitteln.
Die Arbeit des Instituts ist daher langfristig und bewusst flexibel gehalten, um der ständigen Weiterentwicklung auf dem Freizeitsektor Rechnung zu tragen.

Was wurde bisher geleistet

In den Monaten des Bestehens ist das Institut nicht untätig geblieben. So wurde ein erster Forschungsauftrag an ein Frankfurter Meinungsforschungsinstitut über das Freizeitverhalten von Familien in der Wohnung und im Wohnungsumfeld vergeben.
Die Ergebnisse machen deutlich, daß eher Unzufriedenheit, Streß und Ratlosigkeit vorherrschen und nicht Freude und Lebensgenuß, wie es das gesellschaftliche Leitbild erwarten läßt. Einerseits verbinden sich mit der Freizeit hohe Erwartungen, zum Teil hervorgerufen durch das verlockende Angebot der Freizeitindustrie, andererseits fehlt die Initiative, so daß bei vielen Befragten die Monotonie des Familienalltags mit reichhaltig Fernsehkonsum zur Regel wird.

Wie geht es weiter

Das BAT Freizeit-Forschungsinstitut plant für die kommende Zeit – neben der laufenden Grundlagenforschung – weitere Erhebungen zum Freizeitverhalten anderer Bevölkerungsgruppen, Untersuchungen über Freizeitangebote und -alternativen im wohnungsnahen Umfeld, die Herausgabe einer wissenschaftlichen Schriftenreihe und die Durchführung eines Symposiums.

Die Einsamkeit der Zweisamkeit

Die Konzentration auf der „Kleinfamilie“ läßt viele Bedürfnisse nach persönlicher und sozialer Freizeiterfüllung unbefriedigt, was sich teilweise in den hohen Scheidungsquoten widerspiegelt. Die Scheidung wird nicht selten zum letzten Ausweg aus einem psychischen Gefangensein. Der Wandel von der „Großfamilie“ zur „Kleinfamilie“ bis hin zum „Ehepaar mit einem Kind“ und zur „Gatten-Familie“ hat zu einer Intensivierung des Lebens nach innen geführt. Dadurch wurde die Familie zur zentralen Intimgruppe, die der persönlichen Autonomie und sozialen Freiheit der Ehepartner und Familienmitglieder enge Grenzen setzte.

Das Schneckenhaus-Syndrom

Mit ihrem Wunsch nach „Nähe“ und gleichzeitig „Distanz“ werden heute viele Familienmitglieder weitgehend alleingelassen: Im Zusammensein bleibt kaum Raum für das Alleinsein. Die Einsamkeit der Zweisamkeit ist das große Paradox des kleinfamiliären Freizeitlebens.
Das enge Zusammenwohnen und Zusammenleben ermöglicht zwar Geborgenheit und menschliche Wärme, blockiert aber zugleich die Erfüllung des zeitweiligen Wunsches nach innerer Distanzierung von sich und dem Lebenspartner. Um Eigenleben verwirklichen zu können, muß man Zeit für sich selbst haben und darüber auch verfügen können. Fehlt diese freie Zeit – infolge zwanghafter Bindungen an die Familie – kann es zu Empfindungen von Einsamkeit in der Gemeinschaft kommen. Es entwickelt sich ein Zustand ungewollter Isolation (Schneckenhaus-Syndrom) mit Gefühlen von Niedergeschlagenheit und Unwohlsein, Gereiztheit und Zorn gegen sich selbst.
Die ungeduldige Stimmung schlägt in offene Aggression um, wenn die familiären Bindungen, Erwartungen und Forderungen den Wunsch nach einem Eigenleben in der Freizeit, nach einer individuellen Freizeit-Nische, auf Dauer unberücksichtigt lassen.
Diesen Problemzusammenhang hat das BAT Freizeit-Forschungsinstitut zum Ausgangspunkt einer breit angelegten Motiv-Studie gemacht und das Frankfurter Contest-Census-Institut mit der Durchführung der Untersuchung beauftragt. Im einzelnen sollte die Freizeitsituation von verheirateten Personen, die in Ballungsgebieten leben und in deren Haushalt mindestens ein Kind aufwächst, erforscht werden. Im Oktober und November 1979 befragte das Institut 200 Personen in Frankfurt, Mannheim und im Ruhrgebiet. Die Untersuchung weist im einzelnen nach, daß die familiären Freizeitverpflichtungen und die persönlichen Freizeitwünsche nur teilweise übereinstimmen, worauf die Familie mit sozialem Druck und das einzelne Familienmitglied mit schlechtem Gewissen reagiert.

Sparprogramm am Feierabend

Kinder und Ehepartner erwarten Anteilnahme, beanspruchen Aufmerksamkeit. Man selbst ist müde, abgespannt, möchte Zeit für sich haben. Dieser Konflikt wird nur scheinbar gelöst: Man bleibt „alleine in der Gemeinschaft“. Der Feierabend findet zwar im Kreis der Familie statt, aber jeder bleibt eigentlich für sich. Hier tut der Fernseher – zwangsläufiger „Sammelpunkt“ der Familie – „gute Dienste“. Kontakte sind flüchtig, aufs Wichtigste beschränkt. Hält sich ein Familienmitglied nicht an dieses „Sparprogramm“, ist der Feierabendfriede dahin, die Spannung entlädt sich. Die Familie ist der eigentliche Konfliktherd in der Freizeit. Denn hier geht es um ganz zentrale Dinge, die den einzelnen direkt betreffen. Hauptschwierigkeit ist der fast zwanghafte Wunsch, die verschiedenen Wünsche der Familienmitglieder unter einen „Hut“ zu bringen. Die Hausfrau sehnt sich nach Abwechslung und Unternehmungen, die Tochter, die mit den Schulaufgaben nicht fertig wird, fordert Hilfe, der kleine Sohn möchte endlich mit dem Vater durch die Wohnung toben und der Vater möchte nichts anderes als in Ruhe seine Füße hochlegen und von all dem gar nichts hören.

„Wohnungsnahe Familienfreizeit“: Forschungsmodell für die 80er Jahre erfolgreich erprobt

Ein Freizeit-Modell von überregionaler Bedeutung hat die Hamburger Forschungsgruppe Familienfreizeitsport (HFF) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums entwickelt.
In Pinneberg ist dieses Modell unter Leitung des Freizeit-Experten Karl Heinz Lorenz und Prof. Dr. Horst W. Opaschowski erprobt und wissenschaftlich begleitet worden. Grundlage für das Forschungsprojekt ist ein Familienfreizeit-Konzept, in dem vielfältige Spielmöglichkeiten für Kinder „vor der Haustür“, also in Sicht-Rufweiten-Distanz, mit anregungsreichen Freizeitangeboten für die Eltern „um die Ecke“ kombiniert werden. Das heißt also Kinderspiel und Elternfreizeit werden räumlich, inhaltlich und emotional-erlebnisbezogen miteinander verbunden.
Das Ziel des Modellversuchs, die Überwindung von „Motivationshemmungen“ und „Schwellenängsten“ wird u.a. dadurch erreicht, daß die Familie freiwillig Freizeitangebote wahrnehmen kann, ohne dazu gezwungen zu sein.
Das Pinneberger Experiment dauerte 12 Wochen. Unter Anleitung und Beratung von eigens ausgebildeten Freizeit-„Animateuren“, konnte sich jeder auf einer Fläche von 10.000 qm spielerisch betätigen und neue Freizeitanregungen holen. 26 Animateure waren ständig als „Motivierungshelfer“ und „Interessenberater“ eingesetzt. Sie halfen durch geselligkeitsfördernde Freizeitangebote, Kontakt- und Teilnahmeängste zu überwinden. Den ganz Unentschlossenen kamen die Animateure „vor der Haustür“, dem Balkon, dem Garten oder der Straße entgegen. Hunderte von Bewohnern nahmen an Sensibilisierungsspielen, Entspannungsübungen, Jazz-Gymnastik und Yoga teil oder beschäftigten sich mit Farben, Papier, Silberdraht, Batik und Töpfern.
Die wissenschaftliche Auswertung des Forschungsprojekts „Pinneberger Modell“ soll im Mai abgeschlossen und Ende 1980 in der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit veröffentlicht werden.
(Weitere Informationen: HFF- Projektbüro Lorenz/ Opaschowski, Friedenstraße 96, 2080 Pinneberg, Tel.: 04101- 33 457)

„Konfliktherd“ Familie

Hohes Problembewußtsein der Bundesbürger bei der Freizeitbewältigung

Daß in der eigenen freien Zeit nicht nur eitel Sonnenschein herrscht, dessen ist sich der Bundesbürger nach einer Freizeit-Studie des BAT Freizeit-Forschungsinstituts in Zusammenarbeit mit Contest-Census, Frankfurt, bewußt. Nur wo die eigentlichen Ursachen für Schwierigkeiten liegen, mit denen man selbst in der eigenen Freizeit konfrontiert wird, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Trotz eines hohen Problembewußtseins bei den 200 befragten Familien, gibt „nur“ gut die Hälfte Schwierigkeiten an. Davon nennen 57 % vordergründig „objektive Probleme“: zu wenig Freizeit, zu wenig Geld oder Verpflichtungen durch Haushalt, Weiterbildung, usw. Der eigentliche Konfliktherd aber ist die Familie. Immerhin nennen 39 % familiäre Gründe für Frustration und Ärger. Eine Hauptschwierigkeit ist der Versuch, alle Wünsche der Familie unter einen „Hut“ zu bringen. Persönliche Probleme nennen 17 %. Hier existiert eine starke Verdrängungstendenz, wobei das persönliche Problem Langeweile in der hier untersuchten Bevölkerungsgruppe – Familie mit Kind – tatsächlich kaum eine Rolle spielt.

Sonnabend ist der schönste Tag

Erste Ergebnisse einer Freizeit-Studie des BAT Freizeit-Forschungsinstituts in Zusammenarbeit mit dem Contest-Census-Institut, Frankfurt, ergaben, der Sonnabend ist am schönsten. Während der Feierabend nur als „Pendant zur Arbeit“ empfunden wird, wo Familienfreizeit nur als „Sparprogramm“ stattfindet, werden am Wochenende sämtliche Höhen und Tiefen der Freizeit in komprimierter Form erlebt. Sonntagabend hat man zwar oft die Familien schon wieder „satt“. Der Sonnabend aber ist durch froh gestimmte Erwartungshaltung geprägt, die Familie hat absoluten Vorrang. Die Freizeit wird weitgehend positiv und wohltuend empfunden.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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