Freizeit-Monitor 1998 

Forschung aktuell, 144

10. November 1998

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Freizeit-Monitor 1998

Zielgruppe "Neue Senioren": Wachstumsfelder in einer älter werdenden Gesellschaft

Deutschland im 21. Jahrhundert: Mehr Alte als Junge. Die Bundesbürger werden immer älter, die Lebenserwartung steigt, der Jugendanteil sinkt. Sterben damit auch die Wachstumsmärkte aus? Ganz im Gegenteil. Ohne die ältere Generation müßten Gartencenter und Heimwerkermärkte schließen, die Ärzte, Apotheker und Gesundheitsdienste um ihre Existenz bangen, verlören Zeitungsverlage, Konzerthäuser und Theater ihre wichtigsten Abonnenten, stünden leerstehende Kirchengebäude zur Disposition und hätten Vereine keine Zukunft mehr, weil die meisten Ehrenämter "unbesetzt" blieben. Dies ist ein Ergebnis der aktuellen Repräsentativumfrage des Freizeit-Forschungsinstituts der British American Tobacco, in der jährlich 3.000 Personen ab 14 Jahren nach ihren Lebens-, Freizeit- und Konsumgewohnheiten befragt wurden.

In dem heute veröffentlichten neuen Datenreport "Freizeitaktivitäten 1998" werden auch erstmals die Alltagsbeschäftigungen der Generation im Alter von 50 bis 74 Jahren mit den Aktivitäten der von der Wirtschaft besonders umworbenen Zielgruppe der 14- bis 49jährigen verglichen. "Viele Vorurteile gegenüber der vermeintlichen ‚Kukident‘-Generation müssen revidiert werden", so Institutsleiter Prof. Dr. Horst W. Opaschowski. "Denn mit dem höheren Lebensalter wachsen auch die Qualitätsansprüche an das Leben. Eine neue Anspruchsrevolution, nicht etwa eine neue Bescheidenheit kündigt sich für die Zukunft an."

83 Prozent der 50- bis 74jährigen gehören beispielsweise zu den regelmäßigen Zeitungs- und Zeitschriftenlesern. Deutlich geringer ist hingegen der Anteil der 14- bis 49jährigen Leser (66%). Auch beim Fernsehen (+ 3 Prozentpunkte) und Hörfunk (+ 3) sind die Älteren etwas stärker vertreten. Eine Zukunftschance für die Unterhaltungselektronik, insbesondere für den Absatz neuer TV-Geräte und Videorekorder.

Der Kulturbereich geht einer sicheren Zukunft entgegen: Oper, Konzert und Theater (+2) sowie Museums- und Kunstausstellungen (+1) bleiben stabile Wachstumsfelder in einer älter werdenden Gesellschaft. Wachstumschancen zeichnen sich auch für die Körperpflege- und Kosmetikbranche ab. Denn: "Sich in Ruhe pflegen" (+5) gehört zu den wichtigsten Alltagsbeschäftigungen der älteren Generation, die jung aussehen will, obwohl sie immer älter wird.
Die Zielgruppe "Neue Senioren" kann für Wirtschaft und Werbung ebenso attraktiv wie rentabel sein. Sie ist nicht einfach nur eine Spar-Version des Jugendmarkts, sondern etwas völlig anderes, eine eigene Anspruchs- und Erlebniswelt. Professor Opaschowski: "Die Neuen Senioren wollen keine Inline-Skates mit Stützrädern, sondern Sinn- und Serviceangebote rund um die Uhr. Sie wollen dabei ihre persönliche Lebensqualität verbessern und nicht nur ihren materiellen Lebensstandard erhöhen."

Neue Senioren: Die wahren Postmaterialisten

Vor einem Vierteljahrhundert kündigte der amerikanische Sozialforscher Ronald Inglehart in den westlichen Industriegesellschaften eine Revolution auf leisen Sohlen an ("The Silent Revolution"): Einen Wertewandel von den materiellen Zielen zu den nichtmateriellen Bedürfnissen. Insbesondere jüngere Menschen im Alter bis zu 39 Jahren würden weniger zu materialistischen Wertvorstellungen neigen. Die "Postmaterialisten" von damals sind inzwischen in die Jahre gekommen und heute größtenteils über 50 Jahre alt. Sie verfügen über ein relativ hohes Bildungs- und Einkommensniveau. Ein schönes Leben, innere Ausgeglichenheit, Sicherheit und soziale Bedürfnisse stehen für sie im Mittelpunkt.

Insofern kann es nicht überraschen, daß die 50plus-Generation derzeit in Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Vereinen den Ton angibt und mehr ehrenamtliches Engagement (7%) beweist als die jüngere Generation bis zu 49 Jahren (5%). Die Werbewirtschaft muß umdenken: Lebensqualität – vom Kulturangebot über den Wellnessurlaub bis hin zum sozialen Ehrenamt – war bisher ein weitgehend ‚Blinder Fleck‘. Zu vorschnell und zu vordergründig wurde Lebensqualität mit Lebensstandard verwechselt und Lebensfreude einfach mit Kauflust gleichgesetzt.

Wer in Zukunft an dem prognostizierten 350-Milliarden-Markt der "Neuen Senioren" partizipieren will, muß sich ihren Bedürfnissen anpassen und eine doppelte Dienstleistung erbringen: Den erworbenen Lebensstandard (z.B. durch Spareinlagen, Versicherungen, Aktien oder Immobilien) sichern und zugleich die ganz persönliche Lebensqualität in den eigenen vier Wänden (z.B. durch Renovierung oder Modernisierung) oder im Wohnumfeld (z.B. durch Kulturangebote und Gesundheitsdienste) verbessern helfen. Nicht mit Glanz und Glamour, sondern mit Atmosphäre und Ambiente kann man die ältere Generation für sich gewinnen. Opaschowski: "Was Fitness, Sun und Fun für die Jüngeren, sind Sinn, Vitalität und Lebensfreude für die Älteren." Der Sinnfaktor ist für die Älteren genauso wichtig wie der Spaßfaktor für die Jüngeren. In den nächsten vier Jahrzehnten wird sich die Zahl der über 60jährigen in Deutschland verdoppeln. Dann kann es auch zu einer Verdoppelung des "Zukunftsmarkts Neue Senioren" kommen.

siehe auch Verzeichnis aller Publikationen

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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