Forschung aktuell, 313

27. Dezember 2025

(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

 

So blicken die Bundesbürger auf 2026

  • Lediglich gut jeder Fünfte (22%) erwarten 2026 mehr Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft. Vor zehn Jahren waren noch doppelt so viele Bürger optimistisch (2015: 44%).
  • Drei von fünf Bundesbürgern (60%) blicken angstvoll auf das Jahr 2026. Im 10-Jahresvergleich hat sich diese Angst deutlich vergrößert (2015: 45%).
  • Vier von Fünf (80%) erwarten eine Zunahme der wirtschaftlichen Probleme in Deutschland. 2015 war der Wert nahezu identisch (79%).
  • Fast neun von Zehn erwarten einen weiteren Vertrauensverlust gegenüben Politikern. Das Misstrauen hat sich im 10-Jahresvergleich jedoch nur leicht erhöht (2015: 87%).

Die Angst vor gesellschaftlicher Spaltung ist deutlich gestiegen, aber die objektiven Probleme sind gleichgeblieben. Zu diesem Ergebnis kommt die neuste Untersuchung der gemeinnützigen Stiftung für Zukunftsfragen für die 2.000 Bundesbürger ab 18 Jahren repräsentativ befragt wurden. Während der wirtschaftliche Pessimismus und der Vertrauensverlust gegenüber Politikern sich kaum verändert haben, hat sich die Hoffnung auf ein Zusammenwachsen innerhalb der Gesellschaft halbiert. Damit einher hat sich auch die Zukunftsangst deutlich erhöht.

Professor Dr. Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung: „Spaltung entsteht nicht allein durch Krisen. Sie entsteht auch durch die Erzählungen darüber, was möglich ist – und was nicht. Wir erleben derzeit daher nicht nur eine Krise der Fakten, sondern ebenso eine Krise des gemeinsamen Verständnisses davon, was wir als Gesellschaft erreichen können. Das ist ein entscheidender Unterschied: Mit schwierigen Rahmenbedingungen können die Bürger umgehen, solange sie an eine bessere Zukunft glauben. Geht diese Zuversicht verloren, wachsen Angst und Egoismus.“

 

Wirtschaftlicher Pessimismus

Rund 80 Prozent der Bevölkerung rechnen für 2026 mit einer wirtschaftlichen Verschlechterung. Dieser Wert ist seit über einem Jahrzehnt nahezu unverändert (2015: 79 Prozent) und verweist weniger auf kurzfristige konjunkturelle Schwankungen als vielmehr auf eine verfestigte wirtschaftliche Unsicherheit, die von vielen inzwischen als struktureller Zustand wahrgenommen wird. Gleichzeitig bilden die rund 20 Prozent, die eine Verbesserung erwarten, ein stabiles Segment – und keineswegs ein naives. Sie stehen vielmehr für jene Bürger, die unter denselben Rahmenbedingungen auch Chancen erkennen: in Innovationen, neuen Geschäftsmodellen und strategischem Wandel. Wirtschaftlicher Wandel entsteht historisch nicht durch pessimistische Mehrheiten, sondern durch handelnde Minderheiten.

 

Politik wird als machtlos erlebt

89 Prozent der Bevölkerung rechnen mit einem weiteren Vertrauensverlust in die Politik. Dabei haben sich weniger die Zahlen als vielmehr die Begründungen verändert. Während 2015 noch häufig der Eindruck vorherrschte, die falschen Personen seien gewählt worden, dominiert heute ein Gefühl der Resignation: Politiker können nicht leisten, was gebraucht wird – unabhängig davon, wer im Amt ist. Diese Form der Entfremdung reicht tiefer als die Bewertung einzelner Regierungen.

 

Angst als Zeichen der Sinnkrise

60 Prozent der Bundesbürger blicken mit Angst auf das Jahr 2026 – gegenüber 45 Prozent im Jahr 2015. Diese Verschiebung um 15 Prozentpunkte steht nicht nur für wachsende Herausforderungen, sondern auch für eine zunehmende, schwer greifbare Angst vor Kontrollverlust. Viele haben das Gefühl, die Zukunft entgleite ihnen, weil zentrale Orientierungsinstanzen wie Politik, Wirtschaft, Kirche oder Medien nicht mehr als verlässlich wahrgenommen werden. Die 40 Prozent, die dennoch zuversichtlich in die Zukunft blicken, tun dies nicht aus Naivität, sondern weil sie trotz derselben Problemlagen weiterhin an gemeinsame Handlungsfähigkeit glauben.

Professor Reinhardt: „Die zentrale Spaltung in Deutschland verläuft nicht zwischen denen, die Probleme sehen, und denen, die sie ignorieren. Sie verläuft zwischen denen, die noch glauben, etwas ändern zu können, und denen, die diesen Glauben verloren haben“.

Sein Fazit: „Das Wichtigste für 2026 ist: Wir müssen unterscheiden zwischen echten Problemen und dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Die Probleme sind real. Aber der Glaube, sie seien unlösbar, ist nicht real – er ist gemacht. Das eröffnet eine Chance: Wenn wir diese Narrativ-Sperre durchbrechen, wenn wir wieder von gemeinsamen Lösungen sprechen – nicht naiv, sondern realistisch – könnte sich die Wahrnehmung verändern. Schließlich ist die Hoffnung auf gemeinsame Lösungen selbst ein Teil der Lösung und nicht weniger wichtig als jede politische oder wirtschaftliche Maßnahme.”

 

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
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