22. Deutsche Tourismusanalyse 

Forschung aktuell, 189

8. Februar 2006

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22. Deutsche Tourismusanalyse

Wachsende Reiselust: Urlaube werden wieder länger.
Trend zu immer kürzeren Reisen gestoppt

Schwache Binnenkonjunktur und steigende Energiekosten, Tsunami-Effekt und WM-Knick: Die kommende Reisesaison stellt für die Touristikbranche nur auf den ersten Blick ein unkalkulierbares Risiko dar. Das Gegenteil ist eher der Fall: Die Bundesbürger gehen geradezu optimistisch ins neue Jahr. Ihre Reiselust wächst und die Reisedauer nimmt wieder zu (2004: 12,8 Tage – 2005: 13,3 Tage). Gut zwei Drittel der Bevölkerung (68%) haben für 2006 bereits feste Reiseabsichten. Und auch das WM-Fieber kann das Reisefieber nicht ersetzen: Was der Reisebranche während der WM an Urlaubsgästen verloren geht, wird nach Beendigung des Turniers in einer Aufhol-Jagd wieder ausgeglichen. Dies geht aus der 22. Tourismusanalyse des BAT Freizeit-Forschungsinstituts hervor, in der 4.000 Bundesbürger ab 14 Jahren nach ihrem Urlaubsverhalten 2005 und ihren Reiseabsichten 2006 befragt wurden.

„Ein Grundgesetz der Welttourismusorganisation bewahrheitet sich: Der Tourismus erholt sich nach jeder Krise“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des Instituts. „Die Touristen haben ein chronisches Kurzzeitgedächtnis – vor allem bei Einmalereignissen und Naturkatastrophen. Nach einem Jahr ist fast alles vergessen.“ Im vergangenen Jahr haben fast zwei Drittel der Bundesbürger (64%) eine Urlaubsreise von mindestens fünf Tagen Dauer unternommen. Nur 6 Prozent der Bevölkerung begnügten sich mit kürzeren Reisen von zwei bis vier Tagen. Und knapp ein Drittel der Bevölkerung (30%) blieb im Urlaub zu Hause.

Im Hinblick auf die Reisedauer ist erstmals ein Ende der Talfahrt in Sicht. Seit den achtziger Jahren wurden die Urlaube immer kürzer: Von 18,2 Tagen (1980) auf 12,8 Tage im Jahr 2004. Im vergangenen Jahr wurde der Trend zu immer kürzeren Reisen gestoppt. Opaschowski: „Offensichtlich stößt die Reisephilosophie von den schönsten Wochen des Jahres an ihre psychologischen Grenzen, wenn aus einem ehemals fast dreiwöchigen Erholungsurlaub nur noch ein Kurzurlaub von wenigen Tagen zu werden droht. Wochenend- und Kurzreisen können kein Ersatz für den Jahresurlaub sein.“ Vor allem Großstädter (14,6 Tage – Landbewohner: 11,2 Tage) entdecken den Wert einer längeren Urlaubsreise wieder.

Inlandsreiseziele 2005.
Bayern bleibt Spitzenreiter, doch Inlandsurlaub verliert Marktanteile

Das liebste Urlaubsland der Deutschen bleibt Deutschland. Allerdings verliert der Inlandsurlaub permanent an Attraktivität und Marktanteilen – von 35 Prozent (1999) über 33 Prozent (2002) bis zu 32 Prozent (2005). Noch in den neunziger Jahren (1993 bis 1996) machte der Inlandsreiseanteil 41 Prozent aller Reisen aus. Für die inländischen Ferienregionen wird es immer schwerer, sich gegen die ausländische Konkurrenz und ihre Faszination von Wärme, Ferne und Weite zu behaupten.

Im inländischen Wettbewerb bleibt Bayern weiter Spitzenreiter (6,6%), dicht gefolgt von den Ferienregionen an der Ostseeküste (6,3%) in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie den Reisezielen an der Nordsee (4,8%). Neben der ausländischen Konkurrenz sehen sich die inländischen Ferienregionen verstärkt einem internen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt. „Insbesondere ‚Küste’ und ‚Berge’ konkurrieren um die Gunst der Urlauber, die schneller mit dem Billigflieger in Palma de Mallorca als mit dem Auto auf Rügen oder in den bayerischen Bergen sind“, so Professor Opaschowski. Ein Ende des Tiefstands im Inlandstourismus ist noch nicht in Sicht. Der Anteil der Inlandsreisen ist in den letzten Jahrzehnten um die Hälfte zurückgegangen – von ehemals 69 Prozent (1961) auf mittlerweile 32 Prozent (2005).

Auslandsreiseziele 2005.
Spitzenreiter verlieren, Verfolger holen auf

Seit Jahren stellen Spanien, Italien, Österreich und die Türkei unangefochten die Spitzenreiter in der Gunst um die deutschen Urlauber dar. Daran hat sich auch im vergangenen Jahr nichts geändert. Spanien (10,6%) bleibt Spitzenreiter vor Italien (7,7%), Österreich (6,1%) und der Türkei (5,1%). Allerdings rückt das Verfolgerfeld immer näher. Dazu zählen vor allem die Ferienregionen in Kroatien und Slowenien (3,4%) und in osteuropäischen Ländern wie Polen, Ungarn und Slowakei (5,0%) und natürlich Reiseziele wie Skandinavien (3,4%), Griechenland (3,6%) und Frankreich (4,7%). Sie kommen immer näher an die Spitzengruppe heran. Zugleich muss Österreich um seine Spitzenposition bangen, das im Vergleich zum Vorjahr an Boden verliert, während Griechenland, Frankreich sowie Kroatien und Slowenien deutliche Zuwächse zu verzeichnen haben.

Im Trend liegen auch wieder Fernreiseziele (2003: 6% – 2004: 8% – 2005: 11%). Die Karibik einschließlich Kuba und Dominikanische Republik kann sich behaupten (2004: 1,5% – 2005: 1,5%). Reiseziele in Asien wie China, Japan und Indien werden stärker nachgefragt (2004: 1,3% – 2005: 2,1%). Und auch USA und Kanada erfreuen sich größerer Beliebtheit (2004: 1,7% – 2005: 2,3%). Opaschowski: „Fernreisezie le befinden sich im Aufwind, was auch erklärt, warum die durchschnittliche Reisedauer plötzlich wieder zunimmt. Für Fernreisen braucht man – neben dem nötigen Geld – vor allem Zeit.“ Insbesondere Singles (16,8%) und kinderlose Paare (16,1%) nehmen sich – im Vergleich zur übrigen Bevölkerung (10,9%) – mehr Zeit für Fernreisen und können sich dieses Vorhaben auch finanziell eher leisten.

Tourismusprognose 2006.
Aufbruchstimmung.
Optimistisch ins neue Reisejahr!

4.000 Personen ab 14 Jahren wurden repräsentativ im gesamten Bundesgebiet nach ihren Reiseabsichten für 2006 gefragt. Das Befragungsergebnis überrascht: Es herrscht eine überaus positive Grundstimmung vor. Offensichtlich wächst das Vertrauen in die nahe Zukunft wieder. Mehr Aufbruchstimmung als Verunsicherung ist angesagt. Gut zwei Drittel der Bevölkerung (67,9%) wollen im Jahr 2006 eine Urlaubsreise von mindestens 5 Tagen Dauer unternehmen. Nur etwa jeder fünfte Bundesbürger (22,1% – im Vorjahr 2005: 29,6%) will auf jeden Fall zu Hause bleiben. Und jeder zehnte Befragte ist sich noch unsicher. Die Deutschen wollen wieder mehr verreisen. Die Krisenstimmung ist überwunden. Und Reiselust darf man wieder zeigen, wenn man sie sich leisten kann.

Auswirkungen der Fußball-WM 2006.
Null-Summen-Spiel.
Vom WM-Knick zur Aufhol-Jagd

Nur knapp jeder zehnte Bundesbürger (9,7%) will während der Fußball-WM vom 9. Juni bis 9. Juli 2006 verreisen. Alle anderen bleiben zu Hause oder sind sich noch unsicher. Die fußballbegeisterten Deutschen werden der Reisebranche nur auf den ersten Blick einen WM-Knick bescheren. Denn der dramatische Einbruch findet nicht statt. Im Juni mag es mitunter heißen: „Betten frei“, dafür im Juli/August eher: „Ausgebucht“. Professor Opaschowski: „Eine Art Null-Summen-Spiel deutet sich an. Was der Branche während der WM an Urlaubsgästen verloren geht, wird nach Beendigung des Turniers in einer Art Aufhol-Jagd schnell wieder ausgeglichen.“ Das WM-Fieber kann das Reise-Fieber nicht ersetzen.

Reiseziele 2006.
Neuer Urlaubstrend.
Renaissance des Italien-Tourismus

Nur etwa jeder vierte Bundesbürger mit festen Reiseabsichten will 2006 im eigenen Land bleiben (23,8%). Alle anderen zieht es in das europäische Ausland (48,1%) oder in außereuropäische Länder (11,3%). Etwa jeder sechste Befragte (16,9%) hat sich „noch nicht festgelegt.“ Das kann eine Chance für den Inlandstourismus sein. Im Hinblick auf die Auslandsziele deutet sich ein neuer Urlaubstrend an: Renaissance des Italien-Tourismus. Italien kann, wenn die Absichten verwirklicht werden, erstmals Spanien (8,2%) von der Spitzenposition verdrängen (Italien: 8,4%).

Die Urlaubswünsche der Deutschen verändern sich. Opaschowski: „Der Teutonengrill zwischen Adria und Riviera der fünfziger und sechziger Jahre kommt wieder, aber auch die nostalgische Sehnsucht nach Ischia und Capri schwingt mit.“ Zugleich sind wachsende Kultur- und Bildungsinteressen der reiseerfahrenen und älter werdenden Bevölkerung eine Erklärung dafür, warum Italien wieder so gefragt ist. Italien (einschließlich Sardinien und Sizilien) wird aber auch zunehmend von Familien mit Kindern und Jugendlichen wiederentdeckt. Die Auswirkungen der neuen Italien-Sehnsucht wird insbesondere Österreich zu spüren bekommen. Der Abstand zu den beiden Spitzenreitern Spanien und Italien wird größer und zu den osteuropäischen Ländern Ungarn, Tschechien und Polen (4,0% – Österreich: 5,3%) geringer. Attraktive ferntouristische Ziele werden auch in der kommenden Saison USA und Kanada (2,8%) sowie asiatische Länder wie China, Japan und Indien (2,4%) sein.

Urlaubsqualität.
Die populärste Form von Glück

Der Touristikbranche im 21. Jahrhundert steht eine neue Diskussion bevor: Urlaubsqualität muss neu definiert werden. Aus Reiseveranstaltern, Erlebnismachern und Händlern mit Lebensfreude werden zunehmend Dienstleister für das Wohlbefinden. Ganz obenan in der Prioritätenliste der Urlauber stehen gemütliche Atmosphäre (91%) und Gastfreundschaft (92%). Die Urlauber wollen in Atmosphäre baden. Das Atmosphärische – die immaterielle Qualität des Urlaubs – wird immer wichtiger, seitdem materielle Steigerungen kaum mehr bezahlbar sind. Zum Flair einer Ferienregion gehören auch die schöne Landschaft (93%) und das gesunde Klima (91%). Diese Qualitätsmerkmale haben die meisten Deutschen auf ihrer Urlaubsreise im vergangenen Jahr 2005 auch vorgefunden.

Wenn der Urlaub im 21. Jahrhundert die populärste Form von Glück bleiben will, muss er eine Dreifach-Qualität aufweisen: Die natürliche Qualität (z.B. Landschaft), die materielle Qualität (z.B. preiswerte Unterkunft) und die immaterielle Qualität (z.B. freundliches Personal). Professor Opaschowski: „Der Erholungstourismus ist überholt, der Erlebnistourismus hat sich überlebt. Und der Wohlfühltourismus wird zum prägenden Merkmal des 21. Jahrhunderts. Der Urlaub wird immer mehr zum zweiten Zuhause – nur eben ganz anders, fern vom Alltag – aber so gemütlich wie zu Hause.“ Einzelne Bevölkerungsgruppen setzen bei ihren Urlaubsprioritäten ganz unterschiedliche Akzente. Jugendlichen sind die angebotenen Sportmöglichkeiten (70%) wichtiger als die Umweltfreundlichkeit des Urlaubsorts (42%). Ostdeutsche achten im Urlaub mehr auf die preiswerte Unterkunft (75% – Westdeutsche: 70%). Für Singles sind Restaurants, Cafés und Kneipen (80% – Familien: 68%) besonders wichtig. Familien mit Kindern wollen dagegen auf Bademöglichkeiten im Meer oder See (81% – Singles: 72%) nicht verzichten.

Österreich als Spitzenreiter.
Qualitätsranking der Reiseländer

Der neue Wohlfühltourismus der Deutschen ist mehr eine psychologische als eine finanzielle Frage. In der aktuellen Tourismusanalyse hat das BAT Institut die Ferienregionen erstmals einem Qualitätstest unterzogen. Dabei wurden den Urlaubsreisenden zur Einschätzung jeweils 22 Qualitätsmerkmale vorgelegt: von gast- bis umweltfreundlich, von sicher bis schön. Die BAT Ranking-Liste lässt erkennen: Hinsichtlich der subjektiv wahrgenommenen Ferienqualität liegen geradezu Welten zwischen den einzelnen Ferienländern:

  • Skandinavien hat die schönste Landschaft.
  • Die Schweiz bietet das gesündeste Klima.
  • Die gemütlichste Atmosphäre finden die deutschen Urlauber in Österreich.
  • Gastfreundschaft hat in Griechenland und der Türkei die größte Bedeutung.
  • Das freundlichste Personal gibt es in der Schweiz und in Griechenland.
  • Die vielfältigste Restaurant- und Kneipenszene weisen Italien und die USA auf.
  • Die beste Küche wird in Portugal und den asiatischen Ländern vorgefunden.
  • Die preiswertesten Unterkünfte sind in Kroatien und Slowenien zu finden.
  • Skandinavien und die Schweiz sind die saubersten und sichersten Reiseländer.
  • Keine Sprachprobleme und die besten Verständigungsmöglichkeiten sind – neben den deutschsprachigen Ländern – in Spanien gegeben.
  • Die größte Umweltfreundlichkeit wird der Schweiz bescheinigt.
  • Wer Ruhe sucht, ist in der Skandinavien am besten aufgehoben.

Im Vergleich der einzelnen Ferienländer weisen Österreich (85%), Griechenland (83%), Deutschland (82%), die Länder des ehemaligen Jugoslawien (81%) sowie Spanien (80%) die höchste Ferienqualität vor den übrigen europäischen Ländern auf.

Seniorenreisen.
Die neue S-Klasse

Die älter werdende Bevölkerung verändert den gesamten Reisemarkt: Seniorenreisen entwickeln sich zur neuen S-Klasse, zum Urlaub mit Qualitätsansprüchen. Beim Seniorentourismus ist es nicht wichtig, ob Ältere mehr, länger oder öfter verreisen. Die Älteren legen beim Reisen mehr Wert auf Lebensqualität und Wohlbefinden. Gastfreundschaft (93,6%), gesundes Klima (92,8%) und Gemütlichkeit (91,9%) stehen ganz obenan. Professor Opaschowski: „Senioren wollen, dass man ihnen im Urlaub Zeit schenkt und das Gefühl vermittelt, nur für sie da zu sein. Auf Reisen wollen sie sich wohlfühlen und ein wenig das Zeitgefühl verlieren.“ Der Urlaub soll ihnen einen Mehrwert bieten – mehr als nur Abwechslung, mehr als nur Unterhaltung, mehr als nur Sonne, mehr als nur Skilifte oder Fitnesscenter: Was die Atmosphäre für ihr Gemüt, ist das Ambiente für ihr Auge. Der Urlaub wird durch eine „schöne Landschaft“ (94,6%) erst schön. Die Sinne konsumieren mit. Urlaubserleben ist für sie auch ästhetisches Erleben.
Zum Qualitätsanspruch der 50plus-Generation zählen neben der schönen Landschaft Service, Sauberkeit und Sicherheit. Und das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen. Hier stellen sie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung höhere Ansprüche (+ 4 Prozentpunkte). Immer mit der Einschränkung: Grenzenlos reisen wollen ist die eine Sache, aber grenzenlos Geld ausgeben können die anderen.

Studieninformation

Anzahl und Repräsentanz der Befragten: 4.000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland
Zeitraum der Befragungen: 02. bis 23. Januar 2006
Befragungsinstitut: IPSOS Deutschland GmbH/Mölln

Die Studie DEUTSCHE TOURISMUSANALYSE (TA 2006) über die Reiseziele 2005 und die Reiseabsichten 2006 der Deutschen kann zum Preis von Euro 9,80 bezogen werden.
Die Studie enthält neben den aktuellen Analysen und Prognosen zum Reiseverhalten 2005/2006 auch Darstellungen zu den Schwerpunktthemen: Auswirkungen der Fußball-WM; Qualitätsranking der Ferienregionen; Seniorenreisen.
Siehe auch Verzeichnis aller Publikationen

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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