Reisesaison 1992: Neues Rekordjahr möglich 

Freizeit aktuell, 102

17. Februar 1992

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Reisesaison 1992: Neues Rekordjahr möglich

BAT Institut legt zweite gesamtdeutsche Urlaubsanalyse vor

Deutsche in Ost und West reisen gern und viel. Und doch unterscheiden sie sich: Westdeutsche reisen weniger, aber weiter. Ostdeutsche reisen öfter, aber kürzer. Die Ostdeutschen halten sich im Urlaub vorwiegend (noch) in Deutschland auf, für die meisten Westdeutschen hingegen ist das Ausland das bevorzugte Reiseziel. Dies ist ein Ergebnis der zweiten gesamtdeutschen Urlaubsanalyse des BAT Freizeit-Forschungsinstituts. 5.000 Bundesbürger ab 14 Jahren (West: 4.000 – Ost: 1.000) wurden repräsentativ vom 11. bis 24. Januar dieses Jahres nach ihrem Urlaubsverhalten 1991 und den Reiseplänen für 1992 befragt.

Inlandsziele 1991: Bayern im Boom

Im vergangenen Jahr entschieden sich 41 Prozent der Westdeutschen und 67 Prozent der Ostdeutschen für den Inlandsurlaub. Beliebteste Reiseziele waren für jeden neunten Westdeutschen (11 %) und jeden siebten Ostdeutschen (16 %) Ostbayern, Oberbayern und das Allgäu. Bayern muß als „der“ inländische Gewinner der Reisesaison ’91 gelten. Im Vergleich zum Vorjahr hat dieses Reiseziel außergewöhnliche Steigerungsraten aufzuweisen (West + 3, Ost + 9 Prozentpunkte). Auch die Feriengebiete der Nordsee gehören zu den Gewinnern der vergangenen Reisesaison. Die Westdeutschen entdeckten die Nordsee wieder (1990: 5 %, 1991: 8 %), die Ostdeutschen entdeckten die Nordsee neu (1990: 4 %, 1991: 7 %).

Auf der Schattenseite des inländischen Reisebooms standen die ostdeutschen Feriengebiete. Die neuen Bundesbürger ließen massenhaft ihre eigenen Feriengebiete im Stich: Während sich 1990 noch jeder zweite der ostdeutschen Urlauber dort aufhielt, ist 1991 der Anteil drastisch auf 21 Prozent gesunken. Und nur 4 Prozent der westdeutschen Urlauber (1990: 3 %) wählten die fünf neuen Bundesländer als Reiseziel.

Auslandsziele 1991: Österreich als Saisonsieger

Bei den Auslandsreisezielen der Westdeutschen konnte Österreich seinen Anteil von 9 auf 10 Prozent ausbauen und mit Italien wieder gleichziehen. Spanien ist 1991 das beliebteste Reiseziel der Westdeutschen im Ausland geblieben (13 %), hat jedoch gegenüber den beiden Vorjahren Einbußen (16 %) erfahren.

Im übrigen drohte der Golfkrieg die Touristenströme nicht nur zu verändern, sondern auch umzulenken. Die Bilanz der Reisesaison bestätigt diese Einschätzung: Griechenland, Türkei sowie Tunesien/Marokko hatten in der vergangenen Saison Rückgänge zu verzeichnen.

Aus ostdeutscher Sicht stellt sich die Auslandsreisebilanz etwas anders dar. Von der neuen Reisefreiheit profitierte wiederum am meisten Österreich. Auch Spanien und Italien sind zu neuen Traumzielen der Ostdeutschen mit deutlichen Zuwachsraten geworden. Geblieben ist die Attraktivität Ungarns als Reiseziel der Ostdeutschen.

Faßt man Inlands- und Auslandsreisen zusammen, so zeigt sich, daß Golfkrieg und Jugoslawienkonflikt die Reiselust der Deutschen 1991 kaum beeinträchtigt haben. 43 Prozent der Westdeutschen blieben zwar zu Hause. Doch seit Jahren liegt dieser Anteil der westdeutschen Bevölkerung, die keine Urlaubsreise unternimmt, in der Nähe der 42 Prozent-Marke. Bei den Ostdeutschen ist der Anteil der Nichtreisenden bzw. Daheimurlauber sogar geringer geworden (38 % verglichen mit 41 %).

Von den Reisemöglichkeiten machten Ost- und Westdeutsche jedoch unterschiedlich Gebrauch. 45 Prozent der westdeutschen Bevölkerung haben sich im vergangenen Jahr eine Urlaubsreise geleistet, die mindestens 14 Tage dauerte. Etwas geringer fiel der Anteil der ostdeutschen Zwei-Wochen- Urlauber (39 %) aus, wobei sich eine Angleichung an westdeutsche Urlaubsgewohnheiten abzuzeichnen scheint.

Nach den neuen Repräsentativerhebungen des BAT Instituts lag die Durchschnittsreisedauer 1991 bei den westdeutschen Urlaubern nur mehr bei 15,3 Tagen und bei den ostdeutschen Urlaubern gar nur bei 11,0 Tagen. „Die Drei-Wochen-Reise stirbt langsam aus“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des BAT Instituts. „Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung kann oder will sich keine Urlaubsreise mehr leisten, die 20 oder mehr Tage dauert.“

1992: Reiselust auf dem Höhepunkt

Das Jahr 1992 verspricht für die Branche zu einer hervorragenden Reisesaison zu werden. Schon heute beabsichtigen 44 Prozent der Westdeutschen in den nächsten Monaten eine längere Urlaubsreise von mindestens zwei Wochen Dauer zu unternehmen. Im Vergleich zu den Vorjahren demonstriert die westdeutsche Bevölkerung eine außerordentlich hohe Reisebereitschaft.

Die Reiseabsichten der ostdeutschen Bevölkerung (46 %) erreichen einen Spitzenwert, der die Reisepläne der Westdeutschen sogar noch übertrifft. Deutlich geringer als im Vorjahr ist der Anteil der Westdeutschen und Ostdeutschen (jeweils 26 %) die sich in ihrer Reiseentscheidung noch „unsicher“ sind. Professor Opaschowski: „Alle Anzeichen deuten darauf hin: Die Reiselust der Deutschen steuert 1992 einem neuen Höhepunkt entgegen. Ähnlich wie im Reisejahr 1987, das dann von der Branche als ‚Supersaison‘ eingestuft wurde.“

Über zwei Drittel der Westdeutschen zieht es ins Ausland. Nur knapp ein Drittel der Westdeutschen will 1992 nicht in die Ferne schweifen (30 %). Und bei den Ostdeutschen gelangt der Neugiertourismus im eigenen Land deutlich an seine Grenzen. Im vergangenen Jahr wollten noch 65 Prozent der neuen Bundesbürger Urlaub in deutschen (vorwiegend Westdeutschen) Feriengebieten machen, und 68 Prozent haben dies auch verwirklicht. In diesem Jahr bekundet nicht einmal jeder zweite Ostdeutsche (47 %) diese Absicht.

1992 wird es bei den Auslandsreisezielen wohl kaum „den“ Gewinner der Saison geben. Für Zuwachsraten auf breiter Ebene sorgen, soweit das Budget reicht, vor allem die ostdeutschen Urlaubsreisenden im nahen Ausland: Jeder zehnte will nach Spanien, jeder elfte nach Österreich und jeder zwanzigste nach Italien oder Griechenland.

Wie in den Vorjahren auch wollen die Westdeutschen 1992 in erster Linie traditionelle Ferienländer wie Spanien (11 %), Österreich (10 %), Italien (7 %) und Griechenland (7 %) ansteuern. Ferntouristische Ziele rücken in finanzierbare Nähe: USA (4 %) und Karibik (2 %) können die Aufsteiger der Reisesaison ’92 werden.

Schlafen – Sonnen – Exkursionen: Die Urlaubsaktivitäten der Deutschen

An der Spitze der Urlaubsaktivitäten der Deutschen stehen Ausflüge (70 %), Baden und Schwimmen (56 %), Wandern (54 %) und Einkaufsbummel (50 %). Aktivurlaub im Sinne von Sporturlaub bleibt attraktiv – allerdings nur für eine Minderheit: Nur jeweils etwa ein Fünftel der Bevölkerung konnten sich im letzten Urlaub für „Sport treiben“ (22 %) oder „Fahrrad fahren“ (19 %) begeistern. An der Spitze der Urlaubspassivitäten stehen hingegen lange schlafen (49 %) und in der Sonne liegen (51 %).

So befinden sich die Urlauber in einer ständigen Pendelbewegung zwischen Unternehmung und Entspannung, Erlebnis und Erholung, Anspannung und Ruhe. West- und Ostdeutsche setzen dabei ganz spezifische Akzente und Prioritäten. Während Westdeutsche im Urlaub bevorzugt auf der faulen Haut liegen, lange schlafen (West: 50 % – Ost: 42 %) und lieber in der Sonne liegen (58 % – 43 %), Baden (58 % – 49 %) und ein Buch lesen (38 % – 26 %) ist den ostdeutschen Bundesbürgern offensichtlich der Urlaub zum Faulenzen zu schade: Sie wollen einfach nichts verpassen. Im Vergleich zu den Westdeutschen favorisieren sie mehr das Wandern im Urlaub (West: 52 % – Ost: 59 %), den Einkaufsbummel (52 % – 59 %) und die Besichtigung kunsthistorischer Bauwerke (33 % – 39 %). Der Nachholbedarf ist noch immer groß.

Sauberkeit und Gemütlichkeit entscheidend für Urlaubsqualität

Die Ergebnisse der BAT Umfrage deuten darauf hin: Deutsche in Ost und West können offensichtlich auch im Urlaub „nicht aus ihrer Haut heraus“. Unabhängig vom eigentlichen Urlaubsgebiet sind nicht der Preis und nicht die Küche, weder Fitness- noch Animationsprogramme für sie bei der Auswahl ihres Urlaubsortes entscheidend. Für sie zählt vor allem eins: Sauberkeit. Zwei Drittel der deutschen Urlauber (West: 65 % – Ost: 68 %) halten Sauberkeit für die wichtigste Anforderung, die im Urlaub heute erfüllt werden muß. Vor allem für Frauen (71 %) beginnt Ferienqualität erst einmal bei der Sauberkeit. Ein Quartier, das ihren kritischen Blicken nicht standhält, hat kaum eine Chance.

Und noch in einer anderen Hinsicht findet der Mentalitätsgraben zwischen Ost- und Westdeutschen nicht statt. Jeder zweite Bundesbürger – ob aus Ost (50 %) oder West (59 %) – erwartet vorn Urlaubziel erst einmal „gemütliche Atmosphäre“. Und dies ist nicht etwa eine Generationenfrage: Die Nachkriegsgeneration der 30- bis 49jährigen fordert vom Urlaubsort mehr Gemütlichkeit (53 %) als etwa die Kriegs- und Vorkriegsgenerationen der über 65jährigen (49 %). Die deutsche Gemütlichkeit stirbt nicht aus! Moderne Gastfreundschaft (West: 43 % – Ost: 47 %) kann Gemütlichkeit nur bedingt ersetzen. Gemütlichkeit erhofft und wünscht man sich, Gastfreundschaft erwartet und fordert man.

Im Zeitalter des Massentourismus und der Massenmotorisierung, aber auch des Tempos und der Hochgeschwindigkeit kann das Kriterium der Erreichbarkeit für manche Urlaubsziele zur Existenzfrage werden. Etwa jeder zweite Urlauber (West: 45 % – Ost: 53 %) macht heute schon seine persönliche Entscheidung von der „guten Erreichbarkeit“ des Reiseziels abhängig.

Jugend im Urlaub: Kneipe und Disco wichtiger als intakte Umwelt

Alle reden von Umwelt – auch der deutsche Urlauber kann und will hier keine Ausnahme machen: Zwei von fünf Urlaubern träumen von einer „naturbelassenen Umwelt“ (West: 42 % – Ost: 33 %) oder wählen ganz gezielt einen „umweltfreundlichen Ferienort“ (36 % – 41 %) aus. Auffallend ist hierbei, daß die jüngere Generation der 14- bis 29jährigen im Vergleich zu den anderen Altersgruppen am wenigsten Wert auf Umweltfreundlichkeit legt. Für die jüngere Generation sind Kneipen und Cafes im Urlaub wichtiger (44 %) als ein umweltfreundlicher Ferienort (33 %), Diskotheken und Tanzbars attraktiver    (42 %) als eine naturbelassene Umwelt (36 %) am Reiseziel. Opaschowski: „Umweltbewußtsein darf offensichtlich nicht weh tun. Für viele jugendliche Urlauber hört beim sanften Tourismus der Spaß auf, wenn am Ferienort
nichts los ist.“

Reiseverkehrsmittel: Das Flugzeug verdrängt die Bahn

Das Flugzeug als Reiseverkehrsmittel im Urlaub wird immer wichtiger. Fast jeder vierte Westdeutsche hat auf seiner letzten Urlaubsreise einen Charterflug (16 %) oder einen Linienflug (7 %) unternommen. Mit der wachsenden Bedeutung der Flugreise droht die Bahnreise auf das Abstellgleis zu geraten. Nur mehr ein Zehntel der westdeutschen Urlauber (10 %) nennen die Bahn als Reiseverkehrsmittel.

Der Anteil der westdeutschen Flugreisenden ist allerdings noch vier- bis fünfmal höher (West: 23 % – Ost: 5 %), dafür nutzen die Ostdeutschen mehr die Bahn (10 % – 20 %) und das Auto (48 % – 56 %) für Urlaubszwecke.

Ferien vom Auto? Die meisten Autourlauber sind nicht zum Pkw-Verzicht bereit

Die befragten Personen, die im letzten Urlaub mit dem Auto verreisten, wurden konkret danach gefragt, ob sie ihr Urlaubsziel auch mit einem anderen Verkehrsmittel hätten erreichen können. 85 Prozent der Autofahrer beantworteten diese Frage mit „ja“, d.h. das Kriterium der Erreichbarkeit war für die überwiegende Mehrheit der Autofahrer nicht von ausschlaggebender Bedeutung bei der Wahl des Verkehrsmittels.

Den Autourlaubern wurde schließlich eine weitere Frage gestellt: „Wären Sie bereit, künftig auf eine Reise mit dem Pkw zu verzichten?“ Eine deutliche Mehrheit lehnt einen Pkw-Verzicht kategorisch ab, wobei Westdeutsche (59 %) und Ostdeutsche (63 %) nicht allzu sehr in ihren Auffassungen auseinander liegen. Die Schmerzgrenze der Automobilität im Urlaub scheint offensichtlich noch nicht erreicht zu sein.

Schnell, bequem und preiswert, sicher, komfortabel und gemütlich: Was Autofahrer als besondere Qualität der Pkw-Reise preisen, erweist sich als Legende. Die Befragung der Urlauber, die auf ihrer letzten Reise ein Verkehrsmittel in Anspruch nahmen, läßt den „Mythos Auto“ in einem anderen Licht erscheinen. Von insgesamt 20 Merkmalen, die die Qualität einer Urlaubsreise kennzeichnen, kann das Auto als Reiseverkehrsmittel nur zwei für sich in Anspruch nehmen: 61 Prozent der Urlauber sind der Auffassung, mit dem Auto könne man „zeitunabhängig“ verreisen; weitere 55 Prozent heben die „Flexibilität bzw. freie Beweglichkeit“ der Autoreise hervor. Ansonsten hat das Auto als Urlaubsmobil deutlich mehr Nach- als Vorteile: Das Flugzeug ist schneller, die Bahn gilt als sicherer und der Bus als preiswerter.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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