„Ich bin dann mal Web – oder auch nicht.“ 

Forschung aktuell, 210

20. November 2008

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„Ich bin dann mal Web – oder auch nicht.“

Das gespaltene Verhältnis der Deutschen zur privaten Internetnutzung

„Generation @“ war das Wort des Jahres 1999. Die Medienrevolution hielt Einzug in den Lebensalltag der Deutschen, die immer mehr Zeit und Geld in neue Formen der Telekommunikation investierten – von der Email bis zum E-Commerce. Jetzt, ein gutes Jahrzehnt später, hat sich der Anteil der privaten Internetnutzer mehr als verdoppelt – von 16 Prozent (1999) auf 42 Prozent (2008). Dies trifft vor allem für die junge Generation zu. Mehr als zwei Drittel (71%) der 14- bis 29-Jährigen surfen regelmäßig (= mindestens einmal in der Woche) im Internet, lesen dafür aber deutlich weniger Bücher (27%). Dies geht aus einer aktuellen Repräsentativumfrage der BAT Stiftung für Zukunftsfragen hervor, in der 2.000 Personen ab 14 Jahren nach ihren Mediengewohnheiten gefragt wurden.   Was auf den ersten Blick fast revolutionär erscheinen mag, beschreibt nur die halbe Wirklichkeit: Denn noch immer sind die meisten Bundesbürger (58%) „nie“ im Internet, bei der 55plus-Generation sind gar 83 Prozent Netz-Muffel und PC-Verweigerer. Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Wissenschaftliche Leiter der BAT Stiftung: „Ich bin dann mal web – oder auch nicht: Das ist der Medienalltag der Deutschen im Jahr 2008. Die elektronischen Datennetze liegen voll im Trend, aber privat liegen die meisten Bundesbürger lieber vor dem Fernseher auf der faulen Haut. Alles braucht seine Zeit – die Zukunft der Informationsgesellschaft auch: Die euphorische Prognose der Medienbranche ‚Web frisst Fernsehen’ kann weiterhin auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden.“

Kein Ende der digitalen Spaltung in Sicht.
Bildungsferne werden ausgegrenzt

Das Leben im Netz ist zu einer Frage der Bildung geworden. Der Anteil der Internetnutzer mit gymnasialer Bildung ist mehr als doppelt so hoch (62%) wie bei den Hauptschulabsolventen (28%). Der Umgang mit den neuen Informationstechnologien setzt Bildung, Wissen und Können voraus. „Die Info-Elite ist die Generation @ des 21. Jahrhunderts“, so Professor Opaschowski. „Sie lebt und erlebt den von Bill Gates vorausgesagten Web-Lifestyle zwischen Surfen und Chatten, Mailen und mobilem Telefonieren. Die künftige Informationsgesellschaft gehört den Bessergebildeten, die überall in der Welt oder nirgendwo zu Hause sein können.“   Von diesem mobilen Nomadentum aber sind die bildungsfernen Bevölkerungsschichten bisher weitgehend ausgeschlossen. Hauptschulabsolventen favorisieren beim Medienkonsum das Fernsehen (95%), während die PC-Nutzung (29%) weiterhin ein Schattendasein führt.

Zwischen „Surfen“ und „Online-Dating“:
Was im Internet tatsächlich gemacht wird

Das World Wide Web bietet beinahe grenzenlose Möglichkeiten. Was aber nutzen die Deutschen, wenn sie online sind? Lediglich drei Bereiche werden mehrheitlich von den Internetnutzern regelmäßig in Anspruch genommen: Der E-mailkontakt mit anderen (73%), die Informationssuche über ein bestimmtes Thema (60%), sowie das wahllose Surfen ohne bestimmte Ziele und Absichten (64%). Dr. Ulrich Reinhardt, Projektleiter der Medienforschung bei der BAT Stiftung: „Auch 2008 begnügen sich die meisten Deutschen mit Standardanwendungen und nutzen kaum die angebotene Vielfalt“. So traut sich nur gut jeder vierte Befragte, seine Bankangelegenheiten online zu tätigen (28%). Und auch das Online-Shopping ist weiterhin nur in Nischenbereichen eine Konkurrenz zum Einkauf in Handel und Geschäften. Nur gut jeder Fünfte (22%) hat in der letzten Woche wenigstens einmal im Internet eingekauft.   „Der Konsument der Gegenwart will weiterhin mit allen Sinnen einkaufen, will flanieren und bummeln. Zudem bleibt die Sorge der Bevölkerung in puncto Sicherheit ein Haupthinderungsgrund für den Online-Einkauf“, so Reinhardt. Auch das Downloaden von Spielen, Musik, Programmen oder Bildern bleibt für den Großteil der Internetnutzer uninteressant – lediglich jeder Neunte (11%) will hiervon etwas wissen. Zuwächse sind bei Online-Kontaktbörsen z.B. Xing und Facebook oder beim Videoschauen (jeweils 20%) wie auf YouTube und anderen zu erwarten. Dagegen stellt das Internet-Dating für die meisten Deutschen keine Alternative zum Flirten im wirklichen Leben dar. Nur 3 Prozent machen hiervon Gebrauch.

„Vielleicht – Vielleicht auch nicht“: Die Medienwelt der Zukunft

Die Entwicklung neuer Technologien und die Verbreitung der elektronischen Medien bieten dem Konsumenten vielfältige Möglichkeiten, bescheren ihm aber gleichzeitig auch Stress und Hektik. Professor Opaschowski: „Die Frage ‚was’, ‚wann’, ‚wie oft’ oder ‚mit wem’ beantwortet der Deutsche in seiner Zeitnot mit Zeitmanagement: In genauso viel Zeit werden immer mehr Aktivitäten untergebracht und ausgeübt. Das mehr, schneller und weniger Intensive führt aber auch zu mehr Oberflächlichkeit.“ Die Medienrevolution stößt zunehmend an ihre eigenen Grenzen. Immer mehr Fernseh- und Radioprogramme, neue Computeranwendungen und Internetseiten sowie mehr Handytarife und Videospiele lassen beim Verbraucher das Gefühl aufkommen, überrollt zu werden. Sie finden sich im Angebotsdschungel kaum zurecht und bleiben beim alt Bekannten: Sie konsumieren lieber passive TV-Angebote als nach Feierabend wirklich aktiv zu werden.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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