Neue BAT-Umfrage: Die Lust der Deutschen am Stau – keine Trendwende in Sicht 

Forschung aktuell, 123

17. Juli 1995

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Neue BAT-Umfrage: Die Lust der Deutschen am Stau – keine Trendwende in Sicht

Die (un)heimliche "Lust am Stau" ist keine Legende. Es gibt sie wirklich: Immer mehr Bundesbürger arrangieren sich mit dem Stau und empfinden ihn immer weniger als Last. Nur mehr jeder zehnte Autofahrer leidet dabei unter Platzangst und Panikgefühlen (1992: 14% – 1995: 10%). Und auch Gefühle von Unwohlsein zwischen Kopfschmerzen und Schweißausbrüchen stellen sich immer weniger ein (1992: 16% – 1995: 13%). „Ein bißchen Chaos darf ruhig sein“ sagen mittlerweile über 12 Millionen Bundesbürger. Dies geht aus einer aktuellen Repräsentativumfrage des BAT Freizeit-Forschungsinstituts hervor, in der 2.600 Bundesbürger (darunter 1.646 Autofahrer) nach ihren Empfindungen und Reaktionen beim Stau im Wochenend- und Urlaubsverkehr gefragt wurden.
Jeder fünfte Bundesbürger sieht dem Verkehrsstau bei Wochenend- und Urlaubsfahrten ebenso gelassen wie genußvoll entgegen. Manche genießen geradezu „das bißchen Chaos“ – die Männer deutlich mehr (26%) als die Frauen (15%). Anders als im Berufsverkehr scheint im Freizeitverkehr auch ein Verkehrsstau Erlebniswert zu haben. „Man fühlt sich mobil, obwohl man im Stau steckt“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des B?A?T Instituts. „Der Stau wird zum Freizeiterlebnis“.
Auffallende Unterschiede sind zwischen den Generationen feststellbar. Der Anteil der jungen Leute, die geradezu erlebnishungrig dem Stau und Schlangestehen entgegensehen („Wo viel los ist, erlebt man auch viel“), ist mehr als viermal so hoch (26%) wie bei der älteren Generation im Alter von über 55 Jahren (7%). Eine Trendwende ist vorerst nicht in Sicht. Zwischen 1992 und 1995 hat sich der Staufieberanteil der deutschen Autofahrer, die an dem bißchen Chaos Gefallen finden, weiter stabilisiert – vor allem bei den Westdeutschen (1992: 16% – 1995: 20%). Wenn das Fahrzeug in der Freizeit zum Stehzeug wird, sind die deutschen Autofahrer hin- und hergerissen: Die einen fiebern meist vor Wut, die anderen eher vor Erregung. Staufieber macht sich breit: Es ist etwas los – und ich bin mittendrin.

Das Auto der Zukunft:
Ein „Staumobil“ als Spielzeug für die Freizeit

Das Auto geht einer neuen Zukunft entgegen. Es wird immer mehr zum Freizeit- und Erlebnismobil, zum Spielzeug auf Rädern. Während der automobile Einkaufs- und Berufsverkehr stagniert, wächst der automobile Freizeitverkehr unaufhörlich weiter. Und die Bevölkerung hat ganz konkrete Vorstellungen darüber, wie der Spaß am Auto noch gesteigert werden kann. Weil sich die Menschen zwangsläufig länger als früher im Auto aufhalten, lernen sie den größeren Innenraumkomfort schätzen. Ein Gefährt mit dem Touch von Wohnlichkeit und Möblierung. Aus festen Autositzen werden drehbare Sessel oder Doppelliegen, und Zwischenmahlzeiten können locker aufgetischt werden, während die Klimaanlage in Betrieb und der Stauberater in erreichbarer Nähe ist. Wie die B?A?T Repräsentativumfrage nachweist, wünschen sich die Bundesbürger ein Mehrzweckauto und Multimobil, das im Stau und Stehverkehr genausoviel Freude machen kann wie unterwegs beim Fahren. Fast jeder zweite Autofahrer träumt mittlerweile von einer Klimaanlage (46%) im Auto. Jeder fünfte meldet Wünsche für ein Autotelefon (21%) an. Und etwa jeder siebte (15%) stellt sich eine CD-Anlage mit zusätzlichen Kopfhörern zur getrennten Nutzung für Mitfahrer vor. Und manche wollen auch auf die eingebaute Kühlbox (6%) und den Wasserkocher (2%) nicht verzichten. Das Auto wird zur Küchenbar und zum Musikstudio. Und wenn nichts mehr geht und fährt, macht man es sich auf der Doppelliege (2%) mit Fernseher (2%) bequem.
Zur obligatorischen Checkliste für freizeitorientiertes Fahr- und Stehvergnügen gehören ebenso der flexible Stauraum für Hobby und Sport (20%) und natürlich der Allradantrieb (10%). Auch ein Cabrio (9%) wäre nicht schlecht oder zumindest ein Schiebedach (18%). Und das alles variabel und komfortabel, ein Allzweck-Reisekombi im Freizeitlook und immer unabhängig davon, ob das Auto steht oder fährt. Professor Opaschowski: „Vielleicht ist das wartende Auto eines Tages die letzte Ruhezone für gestreßte Freizeitkonsumenten, die auf diese Weise wenigstens für Augenblicke zur vermeintlichen Ruhe kommen – oder richtiger: zu Ruhe und Stillstand gezwungen werden.“
Das Auto hat sein Geschwindigkeitsmonopol an Bahn und Flugzeug verloren. Die schlechte zeitliche Auslastung des Autos als „Fahr“zeug stellt den schnellen Wagen als Statussymbol infrage. Das Klotzen mit Spitzengeschwindigkeiten hat sich überholt. So kommt es eher zum Wandel vom Tempomobil zum Egomobil: Lustvoll und verführerisch, bequem und geborgen im Komfort – ein kurzweiliges Vergnügen im Stehen und im Fahren, für jede Tages- und Jahreszeit.

Die neue BAT-Studie „Freizeit und Mobilität“ ist gegen eine Schutzgebühr von DM 39,- beim BAT Freizeit-Forschungsinstitut, Alsterufer 4, 20354 Hamburg, zu beziehen. Journalisten und Redaktionen stellen wir auf Wunsch ein Besprechungsexemplar kostenlos zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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