20. Deutsche Tourismusanalyse 

Forschung aktuell, 178

11. Februar 2004

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20. Deutsche Tourismusanalyse

Bilanz der vergangenen Reisesaison 2003

2003 war das dritte Krisenjahr, in dem sich die Reisebranche nach dem 11. September 2001, dem Irakkrieg und der anhaltenden Konjunkturflaute zwischen Einbußen und Einbrüchen bewegte. In der Erfolgsgeschichte des Nachkriegs-Tourismus hat es eine solche Talfahrt noch nicht gegeben. Die Reiseintensität der Bundesbürger, die wenigstens fünf Tage im Urlaub verreisten, hat in der vergangenen Reisesaison einen neuen Tiefstand erreicht: 52 Prozent – im Vergleich zum Vorjahr (54%) ein weiterer Rückgang von 2 Prozentpunkten. Immer mehr Urlauber steigen auf kürzere Reisen von 5 bis 13 Tagen um (2001: 20% – 2002: 26% – 2003: 28%), während der klassische Jahresurlaub von mindestens zwei Wochen Dauer aus Kostengründen stetig Anteile verliert. Die konjunkturelle Entwicklung verstärkt den bundesdeutschen Trend zur Verkürzung der Reisedauer. Dies geht aus der 20. Tourismusanalyse des Freizeit-Forschungsinstituts der British American Tobacco hervor, in der 5.000 Bundesbürger ab 14 Jahren nach ihrem Urlaubsverhalten 2003 und ihren Reiseabsichten 2004 befragt wurden.

Wandel im Urlaubsverhalten
Reiselust zwar vorhanden, aber Urlaube werden immer kürzer

„Viele Bundesbürger sitzen dennoch auf gepackten Koffern, müssen aber gleichzeitig ihre Gürtel enger schnallen“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des Instituts. „Denn der Trend zu kürzeren Reisen verstärkt sich weiter und macht vor allem der Ferienhotellerie zu schaffen“. Ein grundlegender Wandel im Urlaubsverhalten der Deutschen zeichnet sich ab: Die Urlaube werden immer kürzer. Die Aufenthaltsdauer am Urlaubsort sinkt kontinuierlich (1980: 18,2 Tage – 1990: 16,3 Tage – 2000: 14,8 Tage – 2003: 13,4 Tage) Immer weniger Bundesbürger können sich im Urlaub eine Zwei-Wochen-Reise leisten (1993: 78% – 2000: 74% – 2002: 67% – 2003: 63%). Ein spürbarer Rückgang der Reisedauer im zweistelligen Bereich innerhalb eines Jahrzehnts. Ursachen sind weniger erlebnispsychologische Sättigungstendenzen als vielmehr ökonomische Grenzen.
Die Reiselust ist vorhanden, aber das Urlaubsgeld ist knapp. Dies trifft in besonderer Weise für die Rentner zu, deren Anteil unter den Zwei-Wochen-Urlaubern am geringsten ist (2003: 56%). „Die Wohlstandswende hat auch den Tourismus erreicht“, so Professor Opaschowski. „Den Deutschen gelingt die Lebenskunst: Sie retten den Urlaub, indem sie die Reisedauer verkürzen. Mehr als jeder dritte Urlauber macht aus den schönsten Wochen des Jahres die schönsten Tage des Jahres.“ Das verändert den Reisestil grundlegend: Immer mehr Reisewünsche müssen in kürzerer Zeit verwirklicht werden. Statt „neuer Bescheidenheit“ heißt es eher Anspruchssteigerung. Die Urlauber stellen bei knapper werdendem Geld- und Zeitbudget genauso hohe Ansprüche wie früher. Selbst von Billigangeboten wird gleichwertige Qualität erwartet. Die Forderung lautet: Qualitätsreisen zu günstigen Preisen.
„Für die Touristikbranche hat diese Entwicklung zwei Gesichter“, so Professor Opaschowski: „Einerseits bleibt die positive Urlaubsphilosophie stabil, andererseits sinken die Umsätze.“ Hoffnungsvoll stimmt die Branche allerdings der ökonomische Erfahrungswert, wonach der Tourismus schneller wächst als die Gesamtwirtschaft. Der Tourismus wirkt wie eine Art Leitökonomie mit richtungweisendem Charakter.

Geteilte Welt auf Reisen
Kinderlose geben am meisten Geld aus

Die Deutschen lassen sich den Urlaub durchschnittlich etwa 1.030 Euro pro Person kosten. Darin sind nicht nur die Reise- und Unterkunftskosten enthalten. Damit müssen auch alle Nebenausgaben wie z.B. Essengehen, Einkaufsbummel, Ausflüge und Trinkgelder bestritten werden. Dieser Durchschnittswert sagt allerdings wenig über die großen ökonomischen Ungleichheiten im Reisemarkt aus.
Familien mit Kindern müssen mit durchschnittlich 951 Euro und Rentner mit 953 Euro pro Person auskommen. Singles geben 1.015 Euro aus und kinderlose Paare können sich 1.177 Euro pro Person leisten. Am meisten Geld im Urlaub geben die sogenannten „Jungsenioren“ im Alter von 50 bis 64 Jahren aus (1.204 Euro), weil sie in der Regel keine Familie oder Kinder zu versorgen haben. Groß sind auch die Urlaubsbudget-Unterschiede zwischen Ostdeutschen (877 Euro) und Westdeutschen (1.069 Euro). Und geradezu Welten liegen zwischen den Reiseausgaben bei Deutschlandreisen (743 Euro), bei Reisen in das europäische Ausland (1.116 Euro) und bei Fernreisen (1.921 Euro).
Opaschowski: „Der Preis wird für die Auswahl eines Reiseziels immer wichtiger. Davon profitiert der Inlandsurlaub, zumal er nur durchschnittlich 10,9 Tage umfasst, während beispielsweise USA-Reisen 23,6 Tage dauern. Mit dem Urlaubsbudget haushalten heißt, sparsam mit Geld und Zeit umgehen können.“

Inlandsreiseziele 2003
Ostsee und Bayern bauen ihre Spitzenposition weiter aus

Der schöne Sommer bescherte manchen inländischen Reisezielen einen Zuwachs wie seit Jahren nicht mehr. Der große Gewinner der vergangenen Saison heißt: Deutschland – und das mit steigender Tendenz. Die Deutschen entdecken seit der Jahrtausendwende ihre Heimat wieder. Die Erfolgszahlen sprechen für sich: 2000: 31% – 2001: 34% – 2002: 33% – 2003: 38%. Einen so hohen Anteil von Inlandsreisen hatte es das letzte Mal 1998 gegeben. Professor Opaschowski: „Für die Wiederentdeckung der Nahziele sind gleichermaßen finanzielle und psychologische Faktoren maßgebend. Qualität und Preis müssen stimmen. Und auch Sauberkeit und Sicherheit müssen – neben schöner Landschaft – gewährleistet sein.“
In Verbindung mit dem guten Wetter haben im vergangenen Jahr vor allem die Feriengebiete an der Ostsee von der Änderung der Reiseströme und Reisestimmungen profitiert (8,8% – Vorjahr 2002: 7,6%), während Nordseeküste und -inseln ihren Vorjahresstand halten konnten (2002 und 2003: je 5,3%). Bayern zählt ebenfalls zu den Gewinnern der vergangenen Saison (7,9% – Vorjahr: 6,5%). Die Krise des Berg- und Alpentourismus ist überwunden. Auch Schwarzwald (+0,9 Prozentpunkte) und Bodensee (+0,3) konnten ihre Attraktivität bei den Urlaubsgästen festigen. Die Deutschen haben aus der Not eine Tugend gemacht: Erdnahe, d.h. ohne Flug erreichbare Ferienziele im Inland nehmen in der Gunst der Urlauber weiter zu.

Auslandsreiseziele 2003
Spanien auf der Gewinner-, Türkei auf der Verliererseite

Billigflieger lassen den Flugtourismus wieder aufleben und die touristische Krise Spaniens vergessen. Seit 1999 hatte Spanien, „das“ Auslandsreiseziel der Deutschen, permanent Einbußen hinnehmen müssen (1999: 17% – 2000: 16% – 2001: 15% – 2002: 14%). Das kam einem Einbruch des Anteils deutscher Gästezahlen im zweistelligen Bereich gleich. Doch seit 2003 zeichnet sich eine touristische Trendwende ab: Spanien ging in der vergangenen Reisesaison wieder als unbestrittener Sieger hervor (15,9%). Auch Portugal konnte in bescheidenem Umfang Zuwachs verzeichnen (2002: 0,8% – 2003: 1,2%).
Alle anderen Ferienländer hatten hingegen unter dem Konkurrenzdruck Deutschlands zu leiden. Die Richtungsänderung der deutschen Reiseströme vom Ausland zum Inland bekam vor allem die Türkei zu spüren. Der Aufwärtstrend der letzten Jahre wurde spürbar gebremst (2003: 4,0%). Im Vorjahr 2002 waren es noch 6,3 Prozent gewesen. So bleibt vorerst die seit über dreißig Jahren bestehende Rang- und Reihenfolge der deutschen Lieblingsreiseziele bestehen. Zum Spitzenreiter Spanien (15,9%) gesellen sich Italien (7,6%) und Österreich (4,6%). Danach folgen die Türkei (4,0%), Griechenland (3,2%), Frankreich (2,5%), Skandinavien (2,5%) sowie die Feriengebiete im ehemaligen Jugoslawien wie u.a. Kroatien und Slowenien (2,4%).
Der Fernreisemarkt stagniert weiterhin auf niedrigem Niveau. Im vergangenen Jahr haben mehr Bundesbürger ihren Urlaub an der Ostsee (8,8%) verbracht als in allen außereuropäischen Ländern zusammen. USA/Kanada (1,4%), Tunesien/Marokko (1,0%), Ägypten (0,9%) und Karibik einschließlich Kuba und Dominikanische Republik (0,8%) haben im Vergleich zum Vorjahr Einbußen hinnehmen müssen. Opaschowski: „Fernreisen bleiben als Urlaubsträume attraktiv, aber in wirtschaftlich und politisch schwierigen Zeiten eher die Ausnahme von der Regel.“ Sie werden auf lange Sicht keine Konkurrenz zu den mediterranen und inländischen Reisezielen sein. Allenfalls Billigflieger könnten dem Ferntourismus wieder etwas Auftrieb geben.

Tourismusprognose 2004
Silberstreif am Horizont

Die Prognosen für das Reisejahr 2004 sind auf den ersten Blick düster. Der Anteil der Deutschen, die mit Sicherheit auch dieses Jahr im Urlaub verreisen wollen, ist so niedrig wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Zuletzt gab es im Jahr nach der Wiedervereinigung einen ähnlich niedrigen Wert (1991: 41%). Danach steigerte sich die Reisebereitschaft der Bundesbürger auf 49 Prozent im Jahre 2001. Seitdem ist ein Rückgang zu verzeichnen: 2002 und 2003 waren es 47 und in diesem Jahr sind es nur noch knapp 42 Prozent der Bundesbürger, die auf jeden Fall verreisen wollen.
Zuversicht gibt einzig die Tatsache, dass die Zahl der Reiseverweigerer nicht weiter steigt: 1999: 23% – 2001: 24% – 2003: 26% – 2004: 25%. Die Hoffnung der Branche ruht daher auf den Unentschlossenen, deren Anteil sich in den vergangenen zwölf Monaten von 26 auf 33 Prozent erhöht hat. Professor Opaschowski: „Springt jetzt noch die Konjunktur an und bieten die Reiseveranstalter ein gutes Preis-Leistungsverhältnis, dann kann es auch wieder Licht am Ende des Tunnels geben“.

Reiseziele 2004
Griechenland der kommende Gewinner

Und wohin soll die Reise 2004 gehen? Die Repräsentativumfrage des B.A.T Freizeit-Forschungsinstituts zu den für 2004 geplanten Reisezielen ergibt: Mehr als jeder fünfte Bundesbürger mit festen Reiseabsichten will im eigenen Land bleiben (22,4%). Alle übrigen zieht es ins Ausland. Spanien (12,6%) bleibt der Spitzenreiter unter den Auslandsreisezielen, gefolgt von Italien (8,4%) und Österreich (6,2%). Griechenland kann in der kommenden Saison erstmals die Türkei verdrängen. Die Olympiade zieht zusätzliche Gäste an. 3,2 Prozent der deutschen Reisenden waren im vergangenen Jahr in Griechenland. 2004 wollen 5,2 Prozent ihren Urlaub dort verbringen. Griechenland kann der Gewinner der kommenden Reisesaison werden – erstmals noch vor der türkischen Riviera (5,1%). Weiterhin attraktiv bleiben Kroatien und Slowenien (3,8%) sowie Skandinavien (3,2%). Bei den außereuropäischen Zielen sind eigentlich nur die USA (2%) und Ägypten (1,5%) gefragt. Ansonsten bleiben Fernziele mehr Traumziele – und das heißt: mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Technische Daten der Untersuchung TA 2004. Ergebnisse der 20. Deutschen Tourismusanalyse

Anzahl und Repräsentanz der Befragten: Deutschland, 5.000 Personen ab 14 Jahren
Zeitraum der Befragung: 6. bis 26. Januar 2004
Befragungsinstitut: IPSOS Deutschland GmbH (ehemals INRA Deutschland), Mölln
Siehe auch Verzeichnis aller Publikationen

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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