Erste Europäische Tourismusanalyse vom BAT Institut 

Freizeit aktuell, 107

15. Februar 1993

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Erste Europäische Tourismusanalyse vom BAT Institut

Ausnahmejahr 1992: Gesamtdeutsche Reiselust auf dem Höhepunkt
Reiseabsichten der Europäer 1993: Große Unsicherheit bei Deutschen und Österreichern
Trendwende im europäischen Reiseverkehr: Umstieg vom Auto auf das Flugzeug?
Qualitätstourismus im Neuen Europa: Hohe Ansprüche, geringes Umweltbewußtsein?

Die Deutschen wurden ihrem Ruf, Weltmeister im Reisen zu sein, in der vergangenen Reisesaison mehr als gerecht: 1992 war ein Ausnahmejahr für die Tourismusbranche. Nach den Ergebnissen der neuen Tourismusanalyse des BAT Freizeit-Forschungsinstituts, das 5.000 Deutsche ab 14 Jahren nach ihrem Urlaubsverhalten befragt hat, waren im vergangenen Jahr 57 Prozent der Westdeutschen (1991: 53 %) und 58 Prozent der Ostdeutschen (1991: 53 %) mehr als vier Tage verreist.
Auch die durchschnittliche Reisedauer der Deutschen hat im vergangenen Jahr leicht zugenommen. Die Westdeutschen waren im Durchschnitt 16,7 Tage (1991: 15,3), die Ostdeutschen 12,5 Tage (1991: 11,9) im Urlaub unterwegs. Ostdeutsche reisten etwas öfter, dafür aber auch kürzer. Ganz offensichtlich waren in der Reisesaison ’92 die Auswirkungen der nachlassenden Konjunktur beim Konsumenten noch nicht spürbar. Die Touristikbranche profitierte von dieser Zeitverzögerung.
Wie aus der BAT Umfrage weiter hervorgeht, leisteten sich längere Urlaubsreisen von mindestens zwei Wochen Dauer 47 Prozent aller Deutschen. Der Abstand zwischen alten und neuen Bundesländern bei Reisen über 14 Tage vergrößerte sich 1992. Während 49 Prozent der Befragten im Westen eine solche Reise unternahmen (+ 4 Prozentpunkte gegenüber 1991) waren es im Osten nur 40 Prozent (+ 1). Insbesondere bei den Bewohnern aus Brandenburg (33 %) oder Mecklenburg-Vorpommern (31 %) waren solche Reisen unterdurchschnittlich vertreten.
Auf der anderen Seite nahmen die kürzeren Urlaubsreisen (5 bis 13 Tage) in Ostdeutsch land um 4 Prozentpunkte auf 18 Prozent zu, während sie in Westdeutschland mit 8 Prozent konstant blieben.

Inlandsziele: Spitzenreiter Bayern verliert Besucher

Deutschland ist der Deutschen liebstes Urlaubsland – allerdings mit stagnierender, teilweise auch sinkender Tendenz. Vor allem die bayerischen Feriengebiete Ostbayern/Oberbayern/Allgäu, seit Jahren „das“ inländische Reiseziel, haben in der vergangenen Reisesaison an Bedeutung verloren. 9 Prozent der westdeutschen Urlauber (1991: 11 %) und 12 Prozent der ostdeutschen Urlaubsreisenden (1991: 16 %) entschieden sich für diese Region als Ferienziel. Insbesondere der Neugiertourismus der Ostdeutschen scheint langsam abzuebben. 
Für die ostdeutschen Urlaubsreisenden haben im vergangenen Jahr vor allem die westdeutschen Mittelgebirge an Attraktivität gewonnen. Und jeder fünfte Bundesbürger aus den neuen Ländern macht weiterhin Urlaub in den ostdeutschen Feriengebieten (20 % – 1991: 21 %).
Die Westdeutschen hingegen entdecken nur zögernd den Reiz der neuen Bundesländer. 1991 machte jeder hundertste Westdeutsche Urlaub an der mecklenburgischen Ostseeküste (1 %) – in der vergangenen Saison lag der Anteil bei 2 Prozent. Auch die Resonanz der westdeutschen Besucher auf die Angebote der übrigen ostdeutschen Feriengebiete läßt vorerst keine größeren Zuwachsraten erwarten (1991: 3 % – 1992: 2 %). Dazu Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des BAT Instituts: „Der Aufbau einer zeitgemäßen Ferieninfrastruktur von den Verkehrsverbindungen über den Unterkunftskomfort bis hin zu Serviceangeboten braucht Zeit, zumal auch die übrigen Feriengebiete in ihrer Entwicklung nicht stehen bleiben“. So gehörten 1992 für die Westdeutschen weiterhin – wie in den Vorjahren – Schwarzwald (5 %), Nordsee (8 %) und Schleswig-Holsteinische Ostsee (4 %) neben Bayern zu den beliebtesten inländischen Feriengebieten.

Auslandsreiseziele 1992: Saisongewinner USA und Türkei im Westen, CSFR und Skandinavien im Osten

Aus gesamtdeutscher sicht gab es 1992 – wieder einmal – nur einen Sieger: Spanien. Etwa jeder achte deutsche Urlaubsreisende (12 % – 1991: 11 %) hat seinen Urlaub in Spanien verbracht. Von Expo bis Olympia, Wärme- und Sonnengarantie angezogen haben sich vor allem Großstädter (13 %) und junge Leute im Alter von 14 bis 25 Jahren (15 %) für Spanien als Reiseland entschieden.
Die erfolgsverwöhnten Urlaubsländer der Deutschen – Italien (8 %) und Österreich (9 %) – müssen hingegen den traditionellen Wachstumsmarkt Tourismus neu erobern: Bei den Ostdeutschen stagnierende und bei Westdeutschen sinkende Tendenzen deuten sich hier an. Professor Opaschowski: „Die Qualitätssteigerung in Österreich hat ihren Preis. Wer für ‚Klasse statt Masse‘ wirbt, kann nicht gleichzeitig grenzenloses Wachstum erwarten. Und auch die italienische Tourismusbranche mußte mit der Gleichung ‚Hohe Preise = weniger Touristen‘ leben lernen.“
Die Westdeutschen entdeckten in der vergangenen Reisesaison – nach der Verunsicherung durch den Golfkrieg 1991 – die Türkei wieder. Der Anteil der Türkeireisenden hat sich im Zeitraum 1991/92 von 2 auf 4 Prozent verdoppelt. Und „Tendenz steigend“ heißt es auch beim Fernreiseziel Nr. 1, den USA (1991: 2 % – 1992: 3 %).
Erstmals nannten 1992 ostdeutsche Urlaubsreisende die USA als Reiseziel (2 %). Daneben war die CSFR bei ihnen besonders gefragt (1991: 4 % – 1992: 6 %), was offensichtlich zu Lasten der traditionellen Ungarn-Reisen ging (1991: 5 % – 1992: 3 %). Gleichzeitig wird der europäische Norden immer attraktiver. Der Anteil der ostdeutschen Urlauber, die Skandinavien als Reiseziel wählten, hat sich von 1 Prozent (1991) auf 4 Prozent (1992) deutlich erhöht. Er war damit erstmals höher als in Westdeutschland (3 %).

Reiseabsichten der Europäer 1993: Große Unsicherheit bei Deutschen und Österreichern

5.000 Deutsche und weitere 5.000 Personen aus fünf europäischen Ländern wurden vom BAT Freizeit-Forschungsinstitut zu den Reiseabsichten in 1993 befragt. Hierbei wurden entsprechend ihrer bisher hohen Reiseintensität berücksichtigt: Österreich, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Niederlande und Dänemark.
Die meisten Europäer wollen auch 1993 in Urlaub fahren. Die Reisefreudigkeit ist allerdings in den einzelnen europäischen Ländern unterschiedlich ausgeprägt. So ist beispielsweise die Reiselust der Dänen (82 %) fast doppelt so hoch wie die der Österreicher (47 %) oder Deutschen (49 %). Bei beiden wirken sich offensichtlich Wirtschaftslage und Konjunkturstimmung am meisten aus. Das „touristische Ausnahmejahr 1992“ wird sich im laufenden Jahr kaum wiederholen. In dieser Einstellung unterscheiden sich die Deutschen – gemeinsam mit den Österreichern – wesentlich von den anderen Europäern, die mehrheitlich zur Reise fest entschlossen sind (Holländer: 61 %, Engländer: 62 %, Franzosen: 62 %, Dänen: 82 %).

Reiseziele der Europäer 1993: Deutschland mehr Transit- als Urlaubsland

Etwa 30 Prozent der befragten Europäer wollen 1993 Urlaub im eigenen Land machen. Hiervon sind die Franzosen am meisten angetan (47 %). Aber auch jeder dritte englische Urlaubsreisende (31 %) hat sich 1993 für Großbritannien entschieden. Deutlich geringer liegen die Anteile der Inlandsurlauber in den übrigen europäischen Ländern: Niederlande (28 %), Deutschland (27 %), Österreich (26 %) und Dänemark (17 %).
Als Auslandsreiseziel rangiert Deutschland in der Beliebtheitsskala der befragten Europäer an nachgeordneter Stelle. Allein 7 Prozent der holländischen Reisenden wollen 1993 ihren Urlaub in Deutschland verbringen. Für alle übrigen ist die Bundesrepublik als Reiseland kaum gefragt (Engländer: 2 % – Dänen: 2 % – Österreicher: 2 % – Franzosen: 1 %). Aus dem Urlaubsland Deutschland droht eher ein Transitland für durchreisende Europäer zu werden.
Vor dem Hintergrund des wachsenden Wettbewerbs im Neuen Europa sollte daher die Leitlinie der 90er Jahre für eine Neupositionierung Deutschlands als Urlaubsziel lauten: „Komfort, Sicherheit und hohe Umweltqualität“. Denn es reicht in Zukunft nicht mehr aus, auf landschaftliche Vielfalt, gute Küche oder kulturelle Sehenswürdigkeiten zu verweisen.

Trendwende im europäischen Reiseverkehr: Umstieg vom Auto auf das Flugzeug?

Die BAT Repräsentativumfrage nach den Reiseverkehrsmitteln zeigt überraschende Ergebnisse: Neben der Überfüllung der Straßen bahnt sich auch eine Überlastung des Luftraums an. Noch 1985 wählten mehr als zwei Drittel der europäischen Urlauber das Auto als Hauptverkehrsmittel. Inzwischen ist zwar der Anteil der Pkw-Reisenden im Durchschnitt um etwa ein Drittel gesunken. Da im gleichen Zeitraum jedoch die Reiseintensität zugenommen hat, bleiben die Straßen zur Ferienzeit überfüllt – und das Gedränge findet zusätzlich auf den Flughäfen statt. In Dänemark und Großbritannien kann es bereits in der Urlaubssaison ’93 mehr Flugreisende als Pkw-Reisende geben.
Der Verdrängungswettbewerb der Verkehrssysteme findet in Zukunft mehr zwischen Straße und Luft als zwischen Straße und Schiene statt. Die Bahn wird ihren Anteil behaupten, aber nicht wesentlich steigern können. Und die europäischen Urlaubsreisenden profitieren vor allem vom Preiskampf der Charter- und Liniengesellschaften.

Qualitätstourismus im Neuen Europa: Hohe Ansprüche, geringes Umweltbewußtsein?

Zehntausend Europäern aus sechs Ländern wurde ein Katalog mit zwanzig unterschiedlichen Qualitätsmerkmalen für die Auswahl einer Ferienregion vorgelegt. Im Durchschnitt der sechs befragten Länder ragen zehn Hauptmerkmale als entscheidend für Qualitätstourismus hervor:

  • Die Landschaft muß schön sein (46 %)
  • Die Atmosphäre muß gemütlich sein (46 %)
  • Sauberkeit ist selbstverständlich (39 %)
  • Die Sonne muß scheinen (38 %)
  • Das Klima muß gesund sein (32 %)
  • Die gute Küche gehört dazu (30 %)
  • Viel Ruhe und wenig Verkehr (29 %)
  • Die Umgebung muß landestypisch sein (28 %)
  • Man muß im Meer oder See baden können (28 %)
  • Es muß attraktive Orte zum Ausgehen geben (26 %).

Diese Wünsche werden den Qualitätstourismus im Neuen Europa prägen: Eine Mischung von Atmosphärischem und Ästhetischem, Wärme und Weite, Attraktivem und Kulinarischem. 
Dabei förderte die Befragung drei überraschende Ergebnisse zutage:
Erstens: Europäer kennen im Urlaub kaum Sprachprobleme. Für 83 Prozent der befragten Urlauber ist es nicht wichtig, ob auch die eigene Sprache im Urlaubsland verstanden wird.
Zweitens: Europäer kennen im Urlaub kaum Umweltprobleme. Rund 80 Prozent aller befragten Europäer halten die Umweltfreundlichkeit eines Ferienortes nicht für wichtig. Lediglich für jeden dritten Deutschen (33 %) sind umweltfreundliche Bedingungen persönlich entscheidend bei der Auswahl des Urlaubszieles. Die umweltbewußte Anhängerschar bei den Holländern (14 %) oder Dänen (4 %) ist deutlich geringer. Im Hinblick auf die Umweltdiskussion könnte dieses Ergebnis einen Rückschritt bedeuten, wenn. sich die deutschen Urlaubsanbieter dem europäischen „Mittelmaß“ anpassen. Die wirtschaftliche Wettbewerbssituation würde dann die Umweltproblematik in den Hintergrund drängen.
Drittens: Europäer kennen im Urlaub kaum Geldprobleme. Über drei Viertel der befragten Europäer legen auf eine preiswerte Unterkunft keinen besonderen Wert. Auch in Rezessionszeiten gilt offenbar: Am Urlaub wird zuallerletzt gespart. Lediglich die Deutschen und Österreicher weichen derzeit davon ab: 43 Prozent der Österreicher und 47 Prozent der Deutschen wollen billig in die Ferien fahren und halten eine „preiswerte Unterkunft“ für unverzichtbar. Konjunkturflaute und sinkende Realeinkommen zwingen sie erstmals dazu, auch im Urlaub den Gürtel enger zu schnallen.

Technische Daten der Befragung

Anzahl und Repräsentanz der Befragten:

Deutschland, 5.000 Personen ab 14 Jahren
Österreich, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und Niederlande jeweils 1.000 Personen ab 15 Jahren

Zeitraum der Befragung: 5. Oktober 1992 bis 20. Januar 1993

Befragungsinstitute:
Sample Institut, Mölln/Deutschland
Spectra Marktforschungsgesellschaft, Linz/Österreich
Vilstrup Research AS, Kopenhagen/Dänemark
BVA Brule Ville Associes/ lnstitut d’études de marchés et d’opinion – Grande Consommation, Viroflay/Frankreich
NOP. Consumer Market Research, London/Großbritannien
NIPO/Het Nederlandes Instituut voor de Publiche Opinie en het Markt onderzoek B.V., Amsterdam/Niederlande

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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