Touristische Trendwende: Das Auto kommt wieder 

Forschung aktuell, 179

6. April 2004

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(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

Touristische Trendwende: Das Auto kommt wieder

Der moderne Tourismus verdankt seine massenhafte Verbreitung vor allem der Motorisierung. Als vor mehr als hundert Jahren das Auto als individuelles Verkehrsmittel geboren wurde, veränderte sich auch das Lebensgefühl des Menschen. Das Bedürfnis nach Mobilität hatte Massenmotorisierung und Massentourismus zur Folge. Urlaubsmobilität bedeutete auch Automobilität. Bereits 1954 fuhren 19 Prozent der Reisenden mit dem eigenen Auto in den Urlaub, 1976 waren es mehr als dreimal so viele (64%). Doch seither ging es mit dem Auto als Verkehrsmittel für den Urlaub stetig bergab (1985: 60% – 1993: 29%), während gleichzeitig der Aufstieg des Flugtourismus begann. Erstmals zeichnet sich jetzt wieder eine Mobilitätswende im Tourismus ab. Die Angst der Urlauber vor terroristischen Anschlägen in Verbindung mit konjunkturellen Problemen sorgen für eine psychologisch und ökonomisch begründete Trendwende: Das Auto kommt als Urlaubsmobil wieder (1993: 29% – 2004: 36%). Dies geht aus einer Repräsentativbefragung des B.A.T Freizeit-Forschungs-instituts hervor, in der 2.000 Personen ab 14 Jahren nach ihrem Reiseverhalten befragt wurden.

Der Autotourismus als Symbol für spontanes und individuelles Reisen, das preiswert ist und freie Beweglichkeit garantiert, erfährt einen neuen Aufschwung“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des Instituts. „Bald heißt es wieder wie in den fünfziger und sechziger Jahren: Ohne Autoverkehr kein Fremdenverkehr.“ Würden alle deutschen PKW-Urlauber gleichzeitig ihre Urlaubsreise beginnen, ergäbe sich ein Stau, der zweimal um die Erde reichen würde und eine Länge von rund 80.000 Kilometern hätte. Fast jede zweite Familie mit Kindern (47% – zum Vergleich: Singles: 25%) will dennoch 2004 mit dem Auto in den Urlaub fahren. Große Unterschiede sind auch zwischen Ostdeutschen (42%) und Westdeutschen (34%) feststellbar. Wenn das Geld knapp wird und am und im Urlaub gespart werden muss, ist das Auto als preiswertes Reiseverkehrsmittel unverzichtbar.

Im Urlaub wollen die Menschen in besonderer Weise Freiheit genießen. Das Automobil als Urlaubsmobil ist für sie ein Ausdruck von gelebter und erlebter Freiheit: Auto-mobil sein heißt unabhängig sein, nicht an einen Ort gebunden, auf andere angewiesen oder durch Sachzwänge eingeschränkt und eingeengt sein. Also: Frei wählen und frei entscheiden, frei ein- und ausreisen und sich aufhalten können, wann und wo man will. Opaschowski: „Automobilität wird zum Synonym für individuelle Freiheit. Im Urlaub ist das Auto so individuell wie die eigenen Füße – nur schneller.“ Und dies gilt fast ein Leben lang. Mit dem Auto in den Urlaub fahren schließlich nicht nur die Jüngeren. Jeder vierte Urlaubsreisende im Alter von über 65 Jahren ist mit dem Auto unterwegs. Erst im Alter von über 80 Jahren wird die Automobilität im Urlaub drastisch eingeschränkt (8%). „Alt“ ist man erst, wenn man nicht mehr autofahren kann.

Durch die Renaissance des Pkw-Tourismus verlieren alle anderen Urlaubstransportmittel weiter an Bedeutung. Nur mehr jeder zwanzigste Urlauber will dieses Jahr die Deutsche Bahn oder einen Reisebus als Verkehrsmittel für den Urlaub nutzen. Die Hoffnung der Touristikbranche auf die ältere Generation als Kunden wird sich so schnell nicht erfüllen. Wählte 1997 noch jeder vierte Rentner (24%) den Bus als Urlaubsverkehrsmittel, will dies 2004 nur noch jeder Achte (12%). Auch bei der Bahn sieht die Zukunft nicht besser aus. Nutzten 1997 noch ein Fünftel der Senioren (19%) den Zugverkehr auf Reisen, wollen dieses Jahr nur noch ein Zehntel (9%) einsteigen. Der Flugtourismus muss ebenfalls Rückgänge verkraften – wenn auch auf hohem Niveau. Bis vor kurzem stiegen die Passagierzahlen jedes Jahr.

Das Fliegen in die Ferne wurde für jeden attraktiv und bezahlbar. Doch die aktuelle B.A.T Tourismusanalyse weist nach: Der Anteil der Reisenden, die dieses Jahr fliegend in den Urlaub wollen, liegt mit 22 Prozent unter dem Vergleichswert von 1997 (26%). Prof. Opaschowski: „Der Flugtourismus steht vor einem Scheideweg. Einerseits spricht die Schnelligkeit und Reichweite für das Reiseverkehrsmittel Flugzeug. Neben der Angst vor Anschlägen muss sich der Urlauber aber anderseits eine Flugreise auch leisten können“. Die deutschen Reisegebiete zwischen Nord-, Ostsee und den Alpen werden 2004 von der Entwicklung im Reiseverkehr profitieren können – vorausgesetzt, die Sonne scheint…

Forschungsinformation

Die Studie Deutsche Tourismusanalyse (TA 2004) ist gegen eine Schutzgebühr von Euro 14,80 beim Freizeit-Forschungsinstitut der British American Tobacco GmbH zu beziehen.

Die Studie enthält neben den aktuellen Analysen und Prognosen zum Reiseverhalten 2003/2004 auch Darstellungen zu folgenden Schwerpunktthemen:

  • Das Urlaubsgeld wird knapp – Hinderungsgründe von Nichtreisenden
  • Statt Urlaub „Stadturlaub“ – Eine wirkliche Alternative?
  • Mobilitätswende im Tourismus – Das Auto kommt wieder
  • Reisen im Zeitalter des Internet – Der Weg in den Urlaub führt über das Reisebüro
  • Last Minute? Nein, danke! – Spontanbucher bleiben eine Minderheit
  • Zwischen Sonnen- und Seelenbaden – Wie die Deutschen ihren Urlaub verbringen
  • Zukunftsperspektive: Urlauber schwimmen auf der Wohlfühlwelle – Ferntourismus und Abenteuerreisen immer weniger gefragt.

Enthalten sind zudem die wichtigsten Übersichtstabellen aufgeschlüsselt im Zeitvergleich, nach Lebensphasen, Haushaltsnettoeinkommen, Ortsgröße und Schulbildung.

Ergänzend kann unter dem Titel Reiseverhalten 2003/Reiseabsichten 2004 ein ausführlicher Datenband zur Deutschen Tourismusanalyse zum Preis von Euro 249,80 bezogen werden (wahlweise als Skript oder CD ROM erhältlich).

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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