„Hier lässt es sich leben!“ – Deutsche Städte aus der Sicht der Bevölkerung 

Forschung aktuell, 206

24. Juni 2008

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„Hier lässt es sich leben!“ – Deutsche Städte aus der Sicht der Bevölkerung

BAT Stiftung für Zukunftsfragen veröffentlicht neue Untersuchung zum Städte-Ranking in den 10 größten deutschen Städten

Weltweit zieht es immer mehr Menschen in die Stadt. Erstmals in der Geschichte der Menschheit lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Städten. Wie aber lebt es sich in den Metropolen Deutschlands? Wie zufrieden sind die Bürger mit ihrer Stadt? Wo lebt es sich am besten und wo am sichersten? Zur Beantwortung dieser Fragen haben die  Bewohner der zehn größten deutschen Städte jeweils „ihre“ Stadt nach zwanzig verschiedenen Qualitätsmerkmalen von atmosphärisch und weltoffen über gast-, senioren- und familienfreundlich bis zu lebenswert und wohlhabend bewertet. Einigkeit herrscht bei fast allen Befragten: 84 Prozent der Bevölkerung nennen „ihre“ Stadt lebenswert. Gleichzeitig sind aber viele Städte von der Verwirklichung des Leitbilds „Menschliche Stadt“ noch weit entfernt. Nur etwa jeder zweite Großstädter bescheinigt dem eigenen Wohnort Kinderfreundlichkeit (49%), Familienfreundlichkeit (55%) oder Seniorenfreundlichkeit (51%). Dies geht aus einer aktuellen Repräsentativbefragung der BAT Stiftung für Zukunftsfragen hervor, in der 2.000 Personen ab 14 Jahren „ihre“ Stadt einschätzen und bewerten sollten.

Kinder-, familien- und seniorenfreundlich

Im Vergleich der Städte mit menschlichen Zügen dominieren Stuttgart, Bremen, Hamburg und Köln. Eine deutliche Mehrheit der Stuttgarter (60%), Kölner (57%) und Bremer (55%) bescheinigt ihrer Stadt Kinderfreundlichkeit. Noch höher im Kurs steht in Stuttgart die Familienfreundlichkeit (65%), gefolgt von Dortmund (63%) und Bremen (61%). Im Städtevergleich der zehn Großstädte rangieren hingegen Berlin und Essen am unteren Ende. Nur 42 Prozent der Berliner halten ihre Stadt für kinderfreundlich; in Essen spricht sich gar nur ein Drittel der Bevölkerung (33%) dafür aus. Und auch familienfreundliche Strukturen finden in Essen (41%) und Berlin (48%) keine mehrheitliche Zustimmung.

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels kommt der Seniorenpolitik in den Städten in den nächsten Jahren eine besondere Bedeutung zu. Fast zwei Drittel der Bremer (62%) sind von der Seniorenfreundlichkeit „ihrer“ Stadt überzeugt. Ähnlich positiv bewerten die Stuttgarter (58%) und Hamburger (55%) die Wohn- und Lebensqualität für die ältere Bevölkerung. Professor Dr. Horst W. Opaschowski, der Wissenschaftliche Leiter der BAT Stiftung: „Gesucht wird die soziale, die menschliche Stadt. Wer heute kein kinder-, familien- und seniorenfreundliches Klima in den Städten bietet, investiert mit Sicherheit an der Zukunft vorbei. Eine schrumpfende und nicht eine wachsende Stadt wird die soziale Folge sein. In Zukunft werden die Städte nicht nur um ‚Best Ager’ im höheren Lebensalter buhlen, sondern auch um die besten Kindergärten, Ganztagsschulen und sichersten Verkehrswege wetteifern.“

Wohlhabend und wirtschaftskräftig

Im Vergleich der zehn größten Städte Deutschlands zieht sich aus der Sicht der Bewohner ein Wohlstandsgraben durch das Land. Die Städter in Stuttgart (82%), Düsseldorf (81%), Hamburg (79%), München (78%) und Frankfurt (69%) nehmen ihren Wohnort als „wohlhabend“ wahr, während die Kölner (38%), Essener (29%), Bremer (24%), Berliner (19%) und Dortmunder (14%) wenig davon spüren. Und auch bei der Frage nach der Wirtschaftskraft liegen zwischen den Stuttgartern (91%) und den Berlinern (44%) geradezu Welten. „Großstädte und Metropolregionen verweisen oft stolz auf Standortfaktoren wie Wirtschaftskraft und Wachstumspotenziale, Arbeitsmarktsituation und Verkehrsanbindung. In ihren Ranking-Listen wollen sie attraktiv für Investoren werden, verlieren dabei aber weitgehend die Wohn- und Lebensqualität ihrer Bewohner aus dem Blick“, so Opaschowski. „Wohn- und Wohlgefühl gehören für die Städter zusammen. Und urbane Atmosphäre fängt für sie bei der menschenfreundlichen Gestaltung des Wohnumfelds an.“

Weltoffen und wachsend

Gemeinsam mit den Frankfurtern attestieren die Hamburger „ihrer“ Stadt die größte Weltoffenheit (90%). Und auch beim Thema wachsende Stadt (85%) blicken sie sehr positiv in die Zukunft. Opaschowski: „Hamburg wird seinem Ruf als ,Tor zur Welt’ auch innerhalb der Bevölkerung gerecht, Wohlstand und Internationalität sind nicht nur in der City und im Hafen zu spüren. Auch der Speckgürtel im Umfeld profitiert von der guten wirtschaftlichen Entwicklung in den letzen Jahren“. Die Ruhrgebietsmetropolen Essen und Dortmund merken hiervon bisher nur wenig. Lediglich die Hälfte der Dortmunder (51%) und noch weniger Essener (44%) bezeichnen „ihre“ Stadt als wachsend.

Grün und umweltfreundlich

Deutschlands Metropolen zeichnen sich vielfach durch Parks, Gärten und Naherholungsgebiete aus. Am zufriedensten äußern sich die Bremer (86%) zu den vorhandenen Grünflächen, gefolgt von den drei Millionenstädten Berlin, Hamburg und München (jeweils 83%). Aber auch fast drei Viertel der Frankfurter (73%) finden noch genügend Anlagen vor. Anders sieht es dagegen bei der Umweltfreundlichkeit aus. Zwischen München (71%) und Berlin (43%) sind große Abweichungen nachweisbar. Die Hauptstadt zahlt den Preis für das gute Verkehrs- und Straßennetz, das nirgendwo besser bewertet wird (89%). Opaschowski: „Die Politiker stehen vor einem Dilemma: Setzen sie  auf ausgebaute Straßen und fließenden Verkehr, müssen sie Einbußen bei der Umweltqualität  hinnehmen. Eine Lösung hierfür könnte die konsequente Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs sein“.

Kulturell und abwechslungsreich

Aus der Sicht der Bevölkerung gelten Köln,  Düsseldorf und Stuttgart als „die“ Kulturmetropolen Deutschlands. Fast neun von zehn Bewohnern (87%) bescheinigen den drei Metropolen ein gutes Kulturprogramm. Dagegen äußern sich nur gut zwei Drittel der Dortmunder (69%) zufrieden mit dem vorhandenen Angebot und bemängeln zudem den fehlenden Abwechslungsreichtum. Hier kann vor allem die Hauptstadt (88%) punkten. „Berlin ist nicht nur für Touristen attraktiv. Auch die Bewohner profitieren von den Highlights und Attraktionen ihrer Stadt“, so der Wissenschaftliche Leiter der BAT-Stiftung.

Sicher und sauber

München und Stuttgart liegen bei der Sicherheit (78%) jeweils an der Spitze des Städte-Rankings. Deutlich geringer ist die Zustimmung der Hamburger (48%), Bremer und Kölner (jeweils 47%). In Berlin fühlen sich nicht einmal zwei von fünf Bürgern (38%) sicher. Auch bei der Sauberkeit bescheinigen die Hauptstadtbewohner „ihrer“ Stadt große Defizite. Nur etwa jeder Vierte (24%) sieht Berlin als saubere Stadt an. In München ist der Anteil mehr als dreimal so hoch (82%). Opaschowski: „Berlin kämpft mit den Problemen einer Weltstadt, während andere Städte ihre eigene Atmosphäre entfalten können.“

Atmosphärisch und gastfreundlich

Außerordentlich hohe Sympathiewerte erhält Köln für seine urbane Atmosphäre (89%) und seine Gastfreundschaft (91%), die sonst keine andere Großstadt erreicht. Groß ist der Unterschied zu Dortmund (Atmosphäre 57% – Gast-freundschaft 74%). „Die Kölner können geradezu in Atmosphäre baden und das nicht nur in der fünften Jahreszeit“, so Stiftungsleiter Opaschowski.

Zukunft findet Stadt

Die Lebensqualität in Deutschland zählt zu den höchsten in der Welt. Das bestätigen auch die Einschätzungen der Bewohner selbst. Die Zukunft der Metropolen wird entscheidend davon abhängen, inwieweit sich die Städte mehr als nur als Wirtschafts- oder Wachstumsstandort profilieren. Die Stadt der Zukunft muss mehr als Bürogebäude und Industrieanlagen bieten. Genauso wichtig ist es, durch Binnenmarketing ein positives Selbstbild der Stadtbewohner zu erzeugen, damit die Stadt nachhaltig für alle lebenswert bleibt.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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