Zeitnot und Angst: Warum viele Deutsche keine Familie gründen wollen 

Forschung aktuell, 255

15. Mai 2014

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Zeitnot und Angst: Warum viele Deutsche keine Familie gründen wollen

Am 15. Mai 2014 jährt sich der von den Vereinten Nationen ausgerufene „Tag der Familie“ zum 20. Mal. Die BAT-Stiftung für Zukunftsfragen hat dies zum Anlass genommen, 2.000 Bundesbürger ab 14 Jahren repräsentativ in persönlichen Interviews (face-to-face) zum Thema „Familie“ zu befragen. Ein Kernergebnis lautet hierbei: Die Bedeutung der Familie bleibt ungebrochen hoch – für 88 Prozent der Deutschen ist und bleibt die Familie das Wichtigste im Leben.
Trotz dieses sehr hohen Stellenwertes bleibt die Geburtenquote hierzulande gering. Mit einem Schnitt von 1,36 (100 Frauen bekommen 136 Kinder) bleibt Deutschland deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 1,57. Weshalb aber entscheiden sich so wenige dafür, eine eigene Familie zu gründen?

Die Kernergebnisse

Die Bundesbürger nennen drei wesentliche Gründe, die gegen eine Familiengründung sprechen:

  1. Der Wunsch, lieber frei und unabhängig zu bleiben (62 %).
  2. Fast ebenso häufig werden finanzielle Gründe angeführt (61 %). Viele Paare können sich keine Kinder leisten bzw. wollen ihren eigenen Lebensstandard nicht verändern.
  3. Der Wunsch, die berufliche Karriere nicht zu vernachlässigen (59 %), sowie die Sorge, Familie und Beruf nicht vereinbaren zu können (54 %), werden ebenfalls von einer Mehrheit der Bevölkerung angeführt.

Neben diesen Hauptgründen werden aber auch der fehlende Lebenspartner, die unsichere Zukunft für die nachwachsenden Generationen sowie unzureichende staatliche Voraussetzungen als Ursachen angeführt. Selbst die Angst, den falschen Zeitpunkt zu wählen, oder die Auffassung, dass Kinder keinen erfüllenden Lebensinhalt darstellen, werden als Argumente gegen eine Familiengründung genannt.

Interpretation

Der Wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Professor Dr. Ulrich Reinhardt, fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen:
„Zum einen haben viele Deutsche schlichtweg Angst. Sie haben Angst, ihre Freiheit aufgeben zu müssen, die Karriere zu vernachlässigen oder den eigenen Lebensstandard einschränken zu müssen. Sie haben Angst, den falschen Zeitpunkt oder den falschen Partner zu wählen, Angst vor einer Scheidung oder um die Zukunft der Kinder.
Zum anderen beeinflusst aber auch die zunehmende Zeitnot die Entscheidung pro oder contra eigene Familie. Viele Bundesbürger setzen sich selber unter Druck, denn sie wollen im Beruf erfolgreich sein, in ihrer Freizeit etwas erleben, ihre sozialen Bindungen pflegen und sich auch noch in Ruhe erholen. Da bleibt für Nachwuchs wenig Zeit.“

10 Zusatzinformationen

  • Für kinderlose Paare sind im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung zwei Gründe überdurchschnittlich häufig wichtig: frei und unabhängig zu sein (+5 Prozentpunkte) sowie die Angst, nicht den richtigen Zeitpunkt zu erwischen (+9 PP).
  • Von Ostdeutschen werden die fehlenden staatlichen Voraussetzungen (+6 PP), finanzielle Gründe (+6PP) sowie Schwierigkeiten bei der Work-Family-Balance (+7 PP) deutlich öfter angeführt als von Westdeutschen. Westdeutsche hingegen äußern häufiger Bedenken in Bezug auf ihre Unabhängigkeit (+5 PP), sehen in Kindern seltener einen erfüllenden Lebensinhalt (+9 PP) und vermissen den richtigen Partner (+12 PP).
  • Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind relativ gering. Frauen betonen etwas häufiger den falschen Zeitpunkt sowie nicht den richtigen Partner zu haben und bemängeln die fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie (jeweils +3 PP). Männer hingegen stellen öfter den Sinn von eigenen Kindern in Frage (+2 PP) und betonen die finanziellen Belastungen (+3 PP).
  • Fast jeder dritte wohlhabende Deutsche (30 %) – mit monatlichem Haushaltsnettoeinkommen über 3.500 EUR – sieht in Kindern keinen erfüllenden Lebensinhalt. Diese Auffassung teilt bei den Geringverdienern – unter 1.500 EUR – nicht einmal jeder Vierte (23 %). Dafür führen Geringverdienende signifikant häufiger finanzielle Gründe an als Wohlhabende (67 % zu 56 %) und sorgen sich mehr um die unsichere Zukunft für die nachwachsenden Generationen (47 % zu 37 %).
  • Innerhalb der Altersgruppen zeigt sich, dass die mittlere Generation (35 bis 54 Jahre) die meisten Bedenken hat. Bei allen Statements zeigt sie eine überdurchschnittlich hohe Skepsis.
  • Im Zeitvergleich zu 2011 haben die Ängste in 8 von 10 Bereichen zugenommen – lediglich bei „fehlenden staatlichen Voraussetzungen“ (−8 PP) und der „unsicheren Zukunft für die eigenen Kinder“ (−6 PP) ging der Wert zurück.
  • In Deutschland gibt es 148 familienbezogene Maßnahmen, die Eltern und Kindern zugutekommen. Das Bundesfamilienministerium gibt an, dass diese staatlichen Familienleistungen 125 Milliarden Euro pro Jahr kosten.
  • Laut statistischem Bundesamt kostet ein Kind in Deutschland durchschnittlich rund 550 Euro pro Monat;
  • 42 Prozent aller Kinder sind Einzelkinder, lediglich 15 Prozent haben zwei und mehr Geschwister;
  • drei Viertel aller Kinder wachsen bei verheirateten Eltern auf, wobei der Anteil von nicht verheirateten Eltern im Osten dreimal höher ist als im Westen. Ebenso ist der Anteil von Alleinerziehenden im Osten (25 %) höher als im Westen (16 %).

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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