Freizeitkonsum 87: Der Kaufrausch findet nicht statt 

Der Freizeitbrief, 59

3. Juni 1987

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Fahrplan für ungetrübte Ferienfreuden

Wie die schönste Zeit des Jahres erfolgreich geplant werden kann

In den schönsten Wochen des Jahres kann nicht nur die Sonne scheinen. Reisen bedeutet auch Risiko . Viele kommen ohne Geld zurück, manche ohne Koffer und einige ohne Illusionen: Ein wenig enttäuscht und um eine persönliche Erfahrung reicher. Die Zahl der Urlauber, die ihre Ferienträume auf Reisen verlieren, ist größer als es die jährlich wachsende Reisefreudigkeit der Bundesbürger vermuten läßt.

Dies geht aus einer Repräsentativbefragung des BAT Freizeit-Forschungsinstituts hervor. Danach wird für jeden dritten Urlauber die Anreise zum Streß, 30 Prozent der Reisenden haben erhebliche Umstellungsprobleme und im Ergebnis müssen 2,1 Millionen Deutsche bekennen: „Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir meinen Urlaub anders vorgestellt als er wirklich war“.

Und die meisten wissen auch, woran es in erster Linie liegt: An ihnen selbst – und nicht am Reisebüro oder Reiseveranstalter. Im Jet-Zeitalter ist die Urlauberseele nicht selten ein Fußgänger geblieben. Das eigene Verhalten hinkt den vielfältigen Urlaubsmöglichkeiten hinterher.

Doch richtig Urlaubmachen kann gelernt werden. Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der wissenschaftliche Leiter des BAT Instituts, hat 10 Ratschläge zu einem Fahrplan für ungetrübte Ferienfreuden zusammengefaßt:

1 . Den Urlaub schon im Alltag beginnen

Eine Urlaubsreise kann nicht elf Monate Alltag vergessen machen. Und wer im Alltag keine Eigeninitiative entfaltet, der wird auch im Urlaub keine Bäume ausreißen können. Im Urlaub kann man nicht plötzlich ein anderer Mensch sein. Man blei bt derselbe – nur in einer anderen Umgebung. Der Alltag holt jeden wieder ein. Längere Frei-Zeiten wollen gelernt und eingeübt sein – möglichst schon zu Hause, am langen Wochenende oder im Kurzurlaub. Den Urlaub schon im Alltag beginnen lassen, heißt, die Ferien schon zu Hause gemeinsam trainieren, den Sonntag zu einem Ferientag machen.

2. Nicht bis zur letzten Minute arbeiten

Wer bis zur letzten Minute durcharbeitet, hat die größten Umstellungsschwierigkeiten, leidet unter dem Klimawechsel und läuft Gefahr, im Urlaub krank zu werden. Ein Urlaub darf nicht schlagartig mit der Reise beginnen. Der Genuß ist immer dann am größten, wenn der Urlaub schon zwei, drei Tage vor Reisebeginn einsetzt: Langsam, aber stetig in Urlaubss ti mmung kommen, die freien Stunden schon vorher genießen und sich auf den Tapetenwechsel freuen. Das setzt persönliche Zeitökonomie voraus, die Fähigkeit, in den letzten Tagen vor der Urlaubsreise Prioritäten zu setzen und sich nicht bis zur letzten Minute für unentbehrlich zu halten.

3 . Die Anreise nicht zur Strapaze werden lassen

Viele muten sich einfach zuviel zu. Und manche glauben, in zwei oder drei Wochen das nachholen zu können, was sie elf Monate lang versäumt haben. In der Rolle des Ferien-Tarzans müssen sie einfach scheitern. Die Anreise darf nicht zur Streß-Rallye werden, zur Horrorvision von Autoschlangen und Wartereihen. Weniger kann manchmal mehr sein. Und wer sich mehr Zeit für die Hin- und Rückfahrt nimmt, hat am Ende Zeit gewonnen – schont Nerven, spart Ärger und kehrt erholter zurück.

4. Sich angenehm enttäuschen lassen

Auch der Urlaub hat sein Tief. Der Urlauber kann nicht rund um die Uhr glücklich sein. Wer sich vor übertriebenen Erwartungen schützt, kann sich nur angenehm enttäusc hen lassen: Man weiß, was einen erwartet . Die Prospektwelt ist nicht die Wirklichkeit. Sie darf Hoffnungen, aber keine Illusionen wecken. Vor allem sollte man den Reiseprospekt nicht mit dem Reiseführer verwechseln. Auch im Süden gibt es nicht nur Sonnenschein und der Himmel kann bedeckt sein. Und wer dort hinreist, wo es andere auch hinzieht, muß mit Überfüllung rechnen. Ruhe und Rummel sind nicht gleichzeitig zu haben.

5. Am dritten Tage kürzer treten

Die Krise droht am dritten Tage. Zwei Tage lang kann der Körper den Orts- und Kl imawechsel verkraften. Am dritten Tage aber sind die natürlichen Aktiv- und Widerstandsreserven für Streßsituationen verbraucht. Größere Anstrengungen sind an diesem Tage zu vermeiden. Körper und Seele brauchen Ruhe und Muße. Wer am dritten Urlaubstag die Gipfel besteigung wagt oder die große Segeltour unternimmt, riskiert Unfälle und muß mit Herz- und Kreislauferkrankungen rechnen. Am dritten Tage sollte man alles ruhiger angehen lassen und auch das Frühstück mal verschlafen.

6. Erlebnis und Erholung im Gleichgewicht halten

Erlebnishunger und Erholungsbedürfnis sind gleich wichtig. Das eine darf nicht auf Kosten des anderen geopfert werden. Urlaub nach Maß bedeutet, daß beide im Gleichgewicht sind. Der Urlaub ist sicher nicht nur zur Erholung da. Aber Erlebnisstreß ist genauso unverträglich. Letztlich muß jeder für sich selbst das richtige Augenmaß finden.

7. Zeit für sich und füreinander finden

„Wir machen alles gemeinsam“. Diesen Anspruch kann der Urlaub nicht einlösen. Wenn die Mutter die liebe Familie wie eine Glucke um sich scharen und der Vater seine Schuldgefühle gegenüber der Familie im Urlaub systematisch aufarbeiten will, fangen für Kinder und Jugendliche nicht gerade die schönsten Wochen des Jahres an. Familienquerelen lassen sich vermeiden, wenn alle den Grundsatz beherzigen: Mit der Familie verreisen, aber sich nicht dauernd mit der Familie beschäftigen müssen. Kinder und Jugendliche sollten im Urlaub genügend Bewegungsfreiheit haben. Ihre Vorstellungen über einen „gelungenen Urlaub“ weichen erheblich von den Elternwünschen ab. Grundsätzlich gilt: Gemeinsam das Reiseziel aussuchen und sich gegenseitig viel Freiraum in den Ferien lassen.

8 . Wählerisch mit den Urlaubspartnern sein

Wer Angst vor dem Alleinreisen hat, sollte lieber mal auf eine Reise verzichten, statt überstürzt mit den verkehrten Leuten in Urlaub zu fahren. Urlaub ist sicher eine Chance für Partnerschaft und Zweisamkeit. Urlaub kann die Harmonie festigen, aber auch Krisen verschärfen. Und wer mit Freunden verreist, sollte bedenken, daß unterschiedliche Lebensgewohnheiten, Freizeitinteressen und Einkommensverhältnisse Auswirkungen auf den Urlaubsstil haben. Und wenn man sich den ganzen Tag sieht, kann man sich auch schnell auf die Nerven gehen. Bei der Wahl seiner Urlaubspartner kann man nicht wählerisch genug sein.

9. Seelenbaden wichtiger als Sonnenbaden

Ein gelungener Urlaub läßt sich nicht an der Zahl der Autokilometer und Sonnenstunden ablesen. Statt Urlaub vom Alltag sollte man lieber Ferien zum Ich machen, um sich selbst zu finden und nicht davonzulaufen. Im Urlaub kann man es sich leisten. das zu tun und zu lassen. wozu man Lust hat . Vor allem faulenzen. Die Seele baumeln lassen und im „Zeitloch Urlaub“l genüßlich zu versacken. Eine Herausforderung auch für untrainierte Müßiggänger. mal die Uhr zu Hause lassen und wieder lernen, nach der eigenen inneren Uhr zu leben.

10 . Nachurlaub zur Wiedereingewöhnung einplanen

Auch der Urlaub will verkraftet sein. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub fällt die Eingewöhnung schwer. Ein dreitägiger Nachurlaub ist nötig. um sich mit dem Alltag wieder anzufreunden und Erholung, Erlebnisse und Erinnerungen nachhaltig in ein neues Arbeitsjahr hinüberzuretten. Die Arbeit soll wieder Spaß machen. Ohne daß die Vorfreude auf den nächsten Urlaub dabei verlorengeht.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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