Jugend will Kultur, nicht nur Kommerz 

Der Freizeitbrief, 60

1. August 1987

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Jugend will Kultur, nicht nur Kommerz

Jugendämter sollen mehr Ideen und Initiativen entwickeln

Für viele Jugendliche sind Besuche in kommerziellen Freizeiteinrichtungen kaum noch erschwinglich. Ein Disco-Abend verschlingt oft das ganze Taschengeld. 89 Prozent der 14- bis 19-jährigen Jugendlichen klagen über zu hohe Eintrittsgelder, die die Grenzen ihres Freizeitbudgets sprengen. Wie aus einer neuen Erhebung des BAT Freizeit-Forschungsinstituts hervorgeht, wünschen sich insbesondere Schüler und Auszubildende zumindest an Wochenenden und in den Ferien Disco-Veranstaltungen, die von Jugendämtern preisgünstiger angeboten werden.
Die BAT- Befragung von 1000 Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren zeigt vielfältige Möglichkeiten für die kommunale Jugendpolitik auf, die die jugendliche Freizeitszene bisher fast ganz dem Kommerz überlassen hat. Gewünscht werden „Jugendtreffs und Jugendclubs in der Nähe“ (81 %), wo man unter sich sein kann, „ohne dauernd von Erwachsenen kontrolliert zu werden“. Vermißt werden eigene „Filmclubs für Jugendliche“ (81 %) sowie kulturelle Jugendprogramme in der Gemeinde, der Stadt oder dem Stadtteil: Zwei Drittel der Jugendlichen bemängeln, daß es „viel zu wenig Jazz – und Folk-Angebote, Kleinkunstbühnen und junge Galerien“ gibt.
Dies gilt vor allem für über 80 Prozent der Jugend auf dem Lande und in Kleinstädten, die in dieser Hinsicht kaum etwas geboten bekommen – im Gegensatz zu den Großstadtjugendlichen, bei denen nur 49 Prozent den Wunsch nach mehr Jugend-Kulturprogrammen äußern.

Mehr Abwechslung in Discos gewünscht

Für die meisten Jugendlichen ist ein Discobesuch heute nicht nur eine Geld-, sondern auch eine Qualitätsfrage geworden. Sie stellen deutlich höhere Ansprüche an das Freizeitangebot in der Discoszene. Nicht teure Nobeldiscos sind gefragt, sondern abwechslungsreiche Programme, die mehr als nur Musik und hohe Preise bieten. 73 Prozent der Jugendlichen kritisieren an den „Kommerz-Discos“ Monotonie und Langeweile des Programms. Disco-Veranstaltungen sollten um Filme, Talk-Shows und Wettbewerbsspiele erweitert werden.
Nach Ansicht des BAT-Instituts ist dies eine großartige Chance für Initiativen der Jugendämter. Deren Disco-Veranstaltungen sollten sich nicht bloß in den Getränke preisen unterscheiden, sondern in den anspruchsvolleren Freizeitprogrammen. Jugendliche gehen fast immer in Cliquen in Discos, weil sie sonst unter vielen doch nur alleine bleiben. Talk- Shows und Wettbewerbsspiele könnten Kommunikationsanlässe schaffen, um wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn Disco-Besuche werden von den Jugendlichen positiv als ein „Stück Freiheit ohne Aufpasser“ erlebt; negativ aber werden Oberflächlichkeit und Sprachlosigkeit empfunden.
Dabei sollte man auch die Jüngsten nicht vergessen. Die Mehrheit der befragten Jugendlichen (59 %) befürwortet „Teeny-Discos“: Diskotheken sollten auch für „12- bis 15-jährige bis 22.00 Uhr zugänglich“ sein. Die Hauptbetroffenen, die 14- bis 15-jährigen, machen sich hierfür verständlicherweise besonders stark (82 %). Bisher können sie es kaum erwarten, 16 Jahre alt zu werden, weil sie vom kommerziellen Freizeitangebot weitgehend ausgeschlossen sind.

Jugendpolitik als Freizeitpolitik

„Die Jugendlichen haben und zeigen vielfältige Freizeitinteressen. Die Jugendämter sollten darauf eine Antwort geben können“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des BAT Freizeit-Forschungsinstituts. Jugendpolitik muß in Zukunft immer auch kommunale Freizeitpolitik sein und sich für neue Freizeitideen und mehr Freizeitqualität verantwortlich fühlen. Jugendämter müssen auch bereit und in der Lage sein, anspruchsvolle Alternativen zum kommerziellen Freizeitangebot bereitzustellen. Schweden könnte hierfür wegweisend sein: Über 4.000 hauptamtliche Mitarbeiter wurden in den letzten Jahren zu Freizeitpädagogen für die Arbeit mit Kindern und Freizeitberatern für die Jugendarbeit fortgebildet.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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