Urlauber mit neuem Problembewußtsein 

Der Freizeitbrief, 77

13. Februar 1989

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Urlauber mit neuem Problembewußtsein

Aktuelle BAT Studie über die Urlaubszufriedenheit der Deutschen

1988 war für die Touristik ein Jahr großer Umweltprobleme. Die Erinnerung an Wasserverschmutzung, Algenblühen und Robbensterben ließ für die kommende Urlaubssaison Schlimmes befürchten. Schließlich geben 86 Prozent der Bundesbürger an, ihre Reiseziele nach der Umweltqualität auszuwählen. Sie legen großen Wert auf unberührte Natur. Bereits für jeden siebten Urlaubsreisenden (15 %) ist die Unsauberkeit am Urlaubsort ein Hauptärgernis. Wie empfindlich die Deutschen in ihrem Urlaubsverhalten auf aktuelle Umweltprobleme reagieren, ist ein wichtiges Thema der neuen repräsentativen Urlaubsstudie des BAT Freizeit-Forschungsinstituts. Hierzu wurden 4.000 Bundesbürger ab 14 Jahren im gesamten Bundesgebiet nach ihren Urlaubsgewohnheiten- und erfahrungen befragt.

Bereits jeder vierte Urlauber (23 %) informierte sich 1988 eingehend über die Umweltsituation am Urlaubsort. Allerdings spiegelt dieser Durchschnittswert nur unzureichend die tatsächliche Situation in einzelnen Zielgebieten wider. So zeigten Nordseeurlauber in der vergangenen Reisesaison die höchste Sensibilität für Umweltprobleme: 41 Prozent informierten sich vor Antritt der Reise eingehend. Ihr Anteil war damit deutlich höher als bei Ostseeurlaubern (31 %) oder Skandinavienreisenden (27 %). Aber auch die übrigen Auslandsurlauber zeigten Problembewußtsein. So interessierte sich z. B. jeder dritte Spanienurlauber und jeder fünfte Österreichreisende für die Umweltsituation vor Ort.

Allerdings waren nur wenige bereit, auch ihre Urlaubsgewohnheiten zu ändern. 4 Prozent verzichteten auf gewohnte Aktivitäten und badeten z.B. nicht im Meer. Gering war ebenfalls 1988 der Anteil der Urlauber, die woanders hingefahren sind. Doch diese 4 Prozent sind ein Anzeichen dafür, daß ein verändertes Umweltbewußtsein auch zu einer Veränderung des Urlaubsverhaltens führen kann.

Urlaub 88: Kein Jahr der Rekorde

Ober 20 Millionen Bundesbürger haben in der vergangenen Reisesaison eine Urlaubsreise von mindestens zwei Wochen Dauer unternommen. Das entsprach einem Anteil von 44 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren. Im Vergleich zu dem vorausgegangenen Reisejahr 1987, das von der Touristikbranche als „Supersaison“ eingestuft wurde, bedeutet dies einen Rückgang von 3 Prozentpunkten. 1988 sind somit rund 1,5 Millionen Bundesbürger weniger als 1987 auf Reisen gewesen. Drei Urlaubsformen waren von diesem Rückgang besonders betroffen: die Jugendreisen, die Familienreisen und die Seniorenreisen.

Dennoch kann nach Ansicht von Prof. Opaschowski, dem wissenschaftlichen Leiter des BAT Instituts, nicht von einem generellen Rückgang der Reiseintensität gesprochen werden. „Denn der Reiseverzicht der einen geht mit gesteigerter Reiselust der anderen einher: Die Unterschiede zwischen reich und arm werden größer und die Polarisierung zwischen mobilen und immobilen Bevölkerungsgruppen verstärkt sich“.

1987 zählten 62 Prozent der Bezieher von Haushaltsnettoeinkommen unter 1.500 DM zu den Nichtreisenden. In der vergangenen Saison 88 ist dieser Anteil auf 71 Prozent angestiegen. Vor zwei Jahren konnte fast die Hälfte (47 %) der Bezieher von Nettoeinkommen zwischen 1.500 und 2.500 DM nicht verreisen. Im vergangenen Jahr mußte die Mehrheit (56%) dieser Einkommensgruppe auf eine Urlaubsreise verzichten.

Reiseziele 88: Die Türkei ist im Kommen

Deutschland bleibt das beliebteste Reiseziel der Bundesbürger. 37 Prozent der Urlauber, die im vergangenen Jahr mindestens zwei Wochen verreisten, blieben inner halb der deutschen Grenzen. Spitzenreiter der deutschen Reiseziele waren Oberbayern/Allgäu (10 %) und die Nordsee (8 %).

Bei den Auslandszielen wird die Hit-Liste traditionell von Spanien angeführt. Jeder siebte Zwei-Wochen-Urlauber (15 %) ist im vergangenen Jahr dorthin gereist. Lieblingsziel Nr. 2 war Italien (11%), das in der Gunst der deutschen Urlauber vor Österreich (9 %), Jugoslawien (7 %) und Frankreich (6 %) stand.

Die Türkei zählt zu den Reiseländern, die 1988 besonders hohe Zuwächse zu verzeichnen hatten. 4 Prozent der deutschen Urlauber wählten die Türkei als Reiseziel. Hochgerechnet waren dies über 800.000 Reisende. Dennoch bleibt festzustellen, daß sogenannte „In“-Ziele in der Regel nur marginale Bedeutung haben. So träumen viele beispielsweise von USA-Trips oder Kanada-Touren. Im vergangenen Jahr sind jedoch nur zwei Prozent der Urlaubsreisenden tatsächlich in Nordamerika gewesen.

Spätbucher und Stammurlauber

Die Frage des zeitlichen Entscheidungsprozesses bei der Urlaubsplanung wird von immer größerer Bedeutung für die Touristikbranche, die in den letzten Jahren durch das sogenannte „Spätbucher“-Verhalten verunsichert wurde. Nach den Ergebnissen der BAT-Studie ist die Reiseentscheidung selbst bei Urlaubern, die mehr als zwei Wochen verreisen, heute kein langfristiger Prozeß mehr. Die Mehrheit (53 %) hält nichts davon, sich ein halbes oder gar ganzes Jahr vorher zu entscheiden . Fast jeder zweite Urlauber (48 %) fällt die Entscheidung erst ein bis drei Monate vor Antritt der Reise . Weitere 5 Prozent der Zwei-Wochen – Urlauber zählen gar zu den „Spontanreisenden“ – sie legen sich erst „eine Woche vorher“ fest.

Nicht nur das „Wann“, auch das „Wie“ der Reiseentscheidung sagt etwas über den Wandel des Urlaubsverhaltens aus. Fast jeder dritte Reisende, der 1988 eine zweiwöchige Urlaubsreise unternahm, ist ein Wiederholungs- oder Stammurlauber: 31 Prozent wählten ein Reiseziel, das sie aus eigener Erfahrung kannten, weiI sie schon öfters dahin gefahren sind. Die Tips von Freunden und Bekannten stellen für jeden vierten Urlauber (24 %) die wichtigste, vielleicht subjektiv auch die zuverlässigste Informationsquelle dar.

Vor allem Jugendliche (35 %) orientieren sich an den Aussagen ihrer Freunde. Die herausragende Bedeutung der sogenannten „Mund-zu-Mund“ – Empfehlung des Freundeskreises ist für Reiseveranstalter ein wichtiger Hinweis und auch eine Verpflichtung, dem Zufriedenheitsgrad der Gäste höchste Beachtung zu schenken.

Eigene Erfahrung und Tips von Freunden stellen neben Beratung durch Reisebüros (21 %) und Buchung nach Katalog (17 %) die hauptsächlichen Informationsquellen für die Planung längerer Urlaubsreisen dar. Zeitungen und Zeitschriften (4 %), Reiseführer (6 %) und Reiseliteratur (8 %) haben hingegen eine deutlich geringere Bedeutung.

Aktivurlaub ist out – Relaxurlaub ist in

Rund 90 Prozent der Bevölkerung halten nic hts von einem sportlichen Aktivurlaub. Im Urlaub Sport treiben ist nur für 11 Prozent der Bevölkerung interessant. Alle anderen wollen lieber in der Sonne, im Boot oder auf der faulen Haut liegen oder sich nach Lust und Laune eine wenig bewegen. Dies trifft auch für die jüngere Generation zu. Drei Viertel der 14- bis 24-jährigen sind für einen sportlichen Aktivurlaub nicht zu begeistern. Bei der mittleren Generation der 25- bis 49-jährigen liegt der Anteil der Relaxurlauber bei 89 Prozent. Und bei den über 50jährigen liegt der Anteil der ruhesuchenden Urlauber gar bei 95 Prozent.

So zeichnet sich als Entwicklung ab: „Aktivurlaub ist out – Relaxurlaub ist in“. Dies trifft ganz besonders für die Frauen zu: Nur 7 Prozent der Frauen wollen im Urlaub Sport treiben, der Anteil der sportaktiven Männer ist immerhin doppelt so hoch (15 %). „Der Aktivurlaub ist Leitbild einer traditionellen Leistungsgesellschaft, aber kein Abbild der heutigen Urlaubergeneration,“ so Prof. Opaschowski.

Wetter, Preise und Überfüllung – die Urlaubsenttäuschungen 88

Jeder vierte Urlauber kam 1988 „wettergeschädigt“ von der Reise zurück. Das schlechte Wetter ist nach wie vor die größte Urlaubsenttäuschung. Was für Reisende in südlichen Ländern relativ problemlos war, ist für viele Inlandsurlauber zur Enttäuschung Nr. 1 geworden. Jeder zweite bis dritte wünschte sich besseres Wetter. Am meisten waren die Nordseeurlauber (53 %) enttäuscht, am wenigsten die Schwarzwaldurlauber (30 %).

Aber auch wer dem heimischen Klima entflohen war, hatte seine Probleme. Jeder fünfte Auslandsurlauber gab selbstkritisch zu: Der Klimawechsel machte mir manchmal zu schaffen. Ältere Urlauber (Jungsenioren: 25 % – Ruheständler: 23 %) hatten hierunter am meisten zu leiden. Hier zeigte der „Trend gen Süden“ seine Schattenseiten: Je südlicher das Urlaubsziel, umso größer die Probleme mit dem Klimawechsel: Österreich (12 %) und Schweizurlauber (15 %) litten 1988 weniger unter dem Klimawechsel als Spanien- (28 %), Griechenland- (30 %) oder Türkeiurlauber (37 %).

Urlaubsstimmung und Urlaubszufriedenheit werden aber nicht nur durch das Wetter beeinflußt . Was jeden vierten Reisenden besonders ärgert, sind die mitunter zu hohen Preise am Urlaubsort.

Unter den Inlandsurlaubern hatten Nordsee- (46 %) und Ostseereisende (39 %) am meisten Anlaß zu Klagen, am wenigsten die Urlauber in süddeutschen Feriengebieten wie Pfalz, Bergstraße oder Fichtelgebirge (15 %) sowie die Schwarzwaldurlauber (16 %).

Wer ins Ausland fuhr, beschwerte sich am meisten über zu hohe Preise in Skandinavien (47 %) und in Frankreich (32 %), am wenigsten in der Türkei (12 %) und in Jugoslawien (11 %).

Die Klagen über zu hohe Preise beziehen sich in erster Linie auf das Preis-/Leistungsverhältnis und sind nicht etwa vom eigenen Einkommen abhängig. Bezieher von Haushalts-Nettoeinkommen zwischen 1.500 und 2.500 DM kritisieren die zu hohen Preise am Urlaubsort genauso wie die Bezieher von Einkommen zwischen 3.500 und 5.000 DM (jeweils 25 %).

Vor allem in Zentren des Massentourismus stört mittlerweile jeden siebten Urlauber (14 %) die Überfüllung des Feriengebietes. Dieses Problem kann nach Ansicht des BAT Instituts für die Tourismusplanung der 90er Jahre folgenreich werden. 28 Prozent aller Spanienurlauber macht bereits jetzt die Überfüllung in Feriengebieten zu schaffen. Problematisch werden auch Tunesien/Marokko (19 %), Frankreich (19 %), Jugoslawien (17 %) und Italien (15 %) eingeschätzt. Geradezu paradiesische Einsamkeit bescheinigen die Urlauber hingegen Irland/Schottland (2 %) und Skandinavien (5 %).

Kein neues, aber ein wachsendes Problem ist die mangelnde Sicherheit am Urlaubsort. Was für 97 Prozent der Inlandsurlauber kein Thema ist, sieht im Ausland anders aus: Jeder zehnte Italienreisende und 9 Prozent der Spanienurlauber beurteilen ihre Erfahrungen so: „Am Urlaubsort fühlte ich mich nicht sicher genug“.

Urlaub 88: Gesamturteil „Gut“

Vom Paradies kann man nur träumen, aber „Schöne Ferien“ wollen alle haben. Auch wenn nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen – die Zufriedenheit der Deutschen mit der vergangenen Reisesaison ist außerordentlich groß. Die Bundesbürger bescheinigten dem Urlaub 88 die Durchschnittsnote 1,8.

Die inländischen Reiseziele erhielten überwiegend die Note 1,7. Lediglich Ostsee (1,8), Bodensee (1,9) und Nordsee (2,0) wurden schlechter bewertet.

Bei ausländischen Reisezielen rangiert das Nachbarland Österreich mit der Durchschnittsnote 1,6 an erster Stelle der Zufriedenheitsskala der deutschen Urlauber. Eine knappe Mehrheit (53 %) der Österreichurlauber bescheinigte dem Urlaubsland die Note „sehr gut“. Mit Ausnahme von Jugoslawien (Durchschnittsnote: 2,1) erhielten alle übrigen Urlaubsländer die Noten 1,8 oder 1,9.

Reisepläne 1989

Die Bundesbürger sind reisefreudig gestimmt. Aber ihre Reiseabsichten lassen für 1989 keine „Super-Saison“ erwarten. Zu Beginn des Urlaubsjahres waren 42 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren fest entschlossen, ihren Urlaubskoffer für mindestens zwei Wochen zu packen. Das sind über 20 Millionen Bundesbürger. Aber im Vergleich zum Vorjahr (47 %) liegen die Reiseabsichten deutlich niedriger.

Angestiegen ist hingegen der Anteil der Befragten, die sich noch „unsicher“ sind – von 25 auf 29 Prozent. Viele Bundesbürger zeigen sich in ihren Urlaubsplänen 1989 vorsichtiger, verhaltener und abwartender.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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