Werden die Westdeutschen reisemüde? 

Freizeit aktuell, 94

4. Dezember 1990

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Werden die Westdeutschen reisemüde?

Hoher Anteil von Reiseverweigerung im Westen – großer Reisehunger in Deutschland Ost

Je größer die Reiseerfahrung, desto geringer die Reiselust? Diese Formel trifft offenbar auf die Bundesbürger zu. Jahr für Jahr verbringen mehr als 22 Millionen Westdeutsche die schönsten Wochen des Jahres zu Hause. Den Gründen für diese Urlaubsmüdigkeit ist jetzt eine Untersuchung des BAT Freizeit-Forschungsinstituts nachgegangen. Danach wollen 42 Prozent der westdeutschen Bundesbürger künftig „grundsätzlich nicht mehr“ im Urlaub verreisen. Hingegen ist der Anteil der Reiseverweigerer bei den Bürgern in der ehemaligen DDR nur halb so groß. Nur knapp jeder Fünfte (19 %) will auf Urlaubsreisen und damit auf die neugewonnene Reisefreiheit verzichten. Dies ist ein Ergebnis von zwei aktuellen Repräsentativbefragungen des BAT Freizeit-Forschungsinstituts bei 2.000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland West und 1.000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland Ost.

Nach Ansicht des BAT Instituts erreichen immer mehr westdeutsche Bundesbürger ihre psychologische Sättigungsgrenze und verlieren die Lust am Reisen mit dem Argument: „Man kann auch zu Hause Urlaub machen“. Vor allem die reiseerfahrene Generation zwischen 50 und 64 Jahren, die genügend Zeit und Geld zum Reisen hat, will nicht mehr unbedingt in die Ferne schweifen: Fast jeder zweite „Jungsenior“ in Deutschland West (48 %) hat keine Lust mehr zum Reisen und vertritt die Auffassung: „Im Urlaub verreise ich grundsätzlich nicht bzw. nicht mehr – auch in Zukunft nicht“. In Deutschland Ost liegt der Anteil der Reiseverweigerer in dieser Altersgruppe lediglich bei 24 Prozent.

Reisefieber und touristischen Nachholbedarf melden insbesondere die jüngeren Leute aus der ehemaligen DDR für die Zukunft an. Massenhaftigkeit stört sie offenbar weniger, während die übrigen mehr an die tatsächliche Last als an die erhoffte Lust des Reisens denken: Unbequemlichkeiten, strapazen, Enttäuschungen, Umweltprobleme und Überfüllungssituationen auf Straßen und an Stränden. Erst bei den Bundesbürgern Ost und West im Alter von über 65 Jahren gleichen sich die Meinungen an, wobei hier sicherlich auch finanzielle Gründe eine Rolle spielen dürften.

Dies muß der an Zuwachs gewöhnten Tourismusbranche zu denken geben. BAT Institutsleiter Prof. Dr. Horst W. Opaschowski: „Wenn alle alles zur gleichen Zeit haben wollen, können immer weniger zufriedengestellt werden. Die Masse bekommt von sich selbst genug. Nicht die Branche und die Experten, sondern die Urlauber lösen, so scheint es, das Problem des Massentourismus auf ihre Weise: sie verweigern sich“. Wenn aus Reiselustigen immer mehr Reiseverweigerer werden, bekommt die Tourismusbranche Zeit zum Nachdenken und Natur und Umwelt können auf eine Erholungspause hoffen.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@stiftungfuerzukunftsfragen.de

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